Viele Aachener fühlen sich am Kaiserplatz wohl eher nicht so wohl. Er jedoch schon, Laurids Elsing. Der Kaiserplatz und die bedürftigen Menschen, die sich dort aufhalten, machen seine Arbeit aus. Laurids ist Sozialarbeiter bei der Suchthilfe Aachen. neo-Redakteurin Verena Bodenstein gibt er einen Einblick in seine Arbeitswelt und verrät, warum der Kaiserplatz und sein Klientel doch nicht so schlecht sind, wie viele denken.
TEXT UND FOTO VERENA BODENSTEIN
Laurids, sag doch mal. Wie bist du eigentlich an Soziale Arbeit geraten?
Ich war der letzte Jahrgang der noch Zivildienst machen musste und ich entschied mich, den Dienst im Altenheim Haus Marien-Linde zu absolvieren. Ich saß dann immer bei den Sozialarbeitern und dachte mir: »Das, was die so machen, ist eigentlich nicht schlecht«. Daraufhin habe ich mich bei der Katholischen Hochschule Aachen für den Studiengang Soziale Arbeit beworben und wurde zum Glück auch genommen. Ich lebe nämlich schon sehr gerne in Aachen.
Du machst unter anderem beim »Querbeet«-Projekt mit. Gib uns doch bitte einen Einblick. Was macht das Projekt aus?
Im Fokus steht die Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Unsere Klienten sind im Rahmen des Projekts »Querbeet« für diverse Blumenbeete in Aachen verantwortlich. Die Verantwortung als auch die Anerkennung für die Pflege der Blumenbeete ist für unsere Klienten meist ganz neu. Wenn sie die gelbe Weste tragen und sich an den Beeten zu schaffen machen, erhalten sie auch von Passanten viel Lob. Die halten dann schon mal an und teilen unseren Arbeitern mit, dass sie das ganz toll machen. Das sind Momente die Klienten sonst gar nicht haben. Positive Bestärkung findet in ihrem Leben meist gar nicht statt. Doch die ist wichtig, vor allem wenn man eine Sucht überwinden möchte. Diese positive Bestärkung versuchen wir in der Suchthilfe, den Menschen zu geben. Wir wollen die Leute nicht »bekehren«, sondern sie bestärken ein suchtfreies Leben zu führen. Doch der innere Wille muss schon von Seiten unserer Klienten da sein, sonst funktioniert es nicht. Bei uns geht vieles über Beziehungsarbeit. Wir bieten im Grunde das erste Angebot, das niedrigschwelligste. Man muss hierfür eigentlich keine Voraussetzungen erfüllen, man muss nur 18 Jahre alt sein und in unseren Büro kommen.
Du hast letztes Jahr dein Studium beendet und arbeitest zurzeit bei der Suchthilfe in Aachen. Was macht dir an deinem Job am meisten Spass?
In aller erster Linie die Interaktion mit unseren Klienten. Wir sammeln sie quasi morgens ein und fragen dann jeden Tag: »Komm, hast du nicht Lust mitzuarbeiten?« Ich kenne auch alle Leute mit Namen. Die Leute zu ermutigen, das macht schon Spaß. Da steckt natürlich auch viel Beziehungsarbeit hinter. Schließlich muss man zunächst Vertrauen aufbauen. Doch man übt den Beruf des Sozialarbeiters nicht nur für die Klienten der Suchthilfe aus, sondern auch für die anderen, die in der Stadt leben, die anderen Bürger. Den Leuten in der Stadt eine gewisse Lebensqualität zu bereiten, das bereitet mir Freude.
Warum sind die Projekte der Suchthilfe Aachen so wichtig?
Viele Leute profitieren davon. Wie bereits angesprochen die Bürger Aachens, doch natürlich auch unsere Klienten. Sie lernen bei uns nach einer langen Zeit wieder das Arbeitsleben kennen. Sie lernen wie es ist, überhaupt erst einmal eine Stunde zu arbeiten. Oder was Tagesstruktur für ihr Leben bedeutet. Wie ist es morgens um 11 Uhr, für ein, zwei oder drei Stunden zu arbeiten? Unsere Klienten stellen sich solchen Fragen und gewinnen so eine gewisse Lebenssicherheit. Unsere beiden Standorte, Kaiserplatz und Café Plattform, stehen ihnen dabei als Anlaufstellen zur Verfügung.
Kommen eigentlich nur Suchtkranke zu euch?
Nein, das sind nicht nur suchtkranke Personen. Es kommen auch wohnungslose Menschen zu uns oder Leute, die auf Hartz IV angewiesen sind. Das liegt daran, dass wir möglichst vielen Menschen helfen wollen. Doch man kann schon sagen, dass die meisten Leute, die bei uns mitarbeiten eine Suchtproblematik haben oder auch hatten.
Was machen besonders schöne oder außergewöhnliche Momente deiner Arbeit aus?
Zum Beispiel wenn man merkt, dass sich die Menschen im Projekt zu kleinen Spießern entwickeln (lacht). Unsere Klienten machen dann die Bürger der Stadt auch gerne darauf aufmerksam, ihre Zigaretten oder Kronkorken doch bitte nicht in die Blumenbeete zu werfen. Was auch immer schön ist, wenn Passanten direkt auf unsere Arbeiter zugehen und sagen: »Ich gehe jetzt in den Supermarkt, kann ich euch etwas zu trinken kaufen?« oder »Hier haben sie mal 20 Euro. Gehen sie doch mal mit allen ein Eis essen.« Letzteres ist bestimmt schon fünf Mal passiert. Unsere Leute sind dann immer total überrascht und freuen sich.
Würdest du sagen, dass deine Arbeit auch irgendwie dein Hobby ist?
Ahh… nee (lacht). Ich bin auch froh, wenn ich Zuhause bin und mal nicht über die Arbeit reden muss. In meiner Freizeit fahre ich zum Beispiel gerne zwei bis drei mal die Woche Fahrrad. Das ist dann so mein Ausgleich. Ich bin auch in einer Radgruppe mit Freunden. Dann geht‘s auch mal über die Grenze, nach Belgien und Holland. Die Grenzregion ist schon sehr, sehr schön. Unsere Gruppe hat auch einen Instagram-Account: Fastrada. Wer Interesse hat mitzumachen, kann sich gerne bei uns melden. Jeder ist willkommen! \