Laufbahn

Der Bär hebt ab: Breakdancer Hermann Bär

Hermann Bär ist einfach überall: Auf dem Straßenfest, im Werbeclip, auf der Messe. Immer in Bewegung, immer in der Luft. Aber in der Tanzschule war der Breakdancer nie. Warum Autodidakten besser tanzen und wie er die Rahmenbedingungen des Breakdance verändern möchte erklärte der urbane Künstler beim Frühstück.

TEXT SIMON WIRTZ
FOTO HERMANN BÄR

Hach, Schulzeit. Wie viel Zeit man doch hatte, nachdem der Nachmittagsunterricht ausgefallen war – oder überhaupt erst gar keiner auf dem Stundenplan stand. Und die nächste Klassenarbeit stand sowieso erst in sechs Wochen an. Was also tun? Manche (oder eher ihre Eltern) wollten »ihre Freizeit sinnvoll gestalten«, lernten also Klavier, gingen zum Ballett oder paukten stundenlang Sprachen, die man eh nie wieder braucht. Andere verbrachten die Nachmittage ihrer Schulzeit vor dem Fernseher, der Playstation oder mit Kumpels auf dem Ascheplatz um die Ecke. Herrmann war eigentlich auch so einer. Er hing nach der Schule gerne im Jugendtreff ab, da traf er seine Freunde. Ihr gemeinsames Hobby: Breakdance, oder wie Hermann es heute nennt »breaking«. Das ist nämlich die »szenegängige« Bezeichnung. Die allermeisten seiner Kumpels haben nach einer Weile mit dem Tanzen aufgehört, denn irgendwie kam eine Ausbildung dazwischen, oder die Motivation fehlte halt. Herrmann nicht. Er blieb am Ball, brachte sich selbst immer wieder neue Moves bei, ganz ohne Lehrer. Heute zählt er zu den international gebuchten freien Breakern, verdient mal »richtig fett Kohle« mit einem Werbespot in Osteuropa, oder wird als Tänzer und Choreograph auf einer Messe gebucht. Wie hat er das geschafft?

»Null Japanisch«
Hermann ist ein freundlicher, positiver Mensch. Er lacht gerne, haut auch mal den ein oder anderen Witz raus. Man hat das Gefühl, er kann gar nicht ernst sein. Zum breaken kam er eher ungeplant, erklärt er. »Im Jugendtreff hat das einfach jeder gemacht, weil es halt Spaß machte, und man sonst wenig zu tun hatte«. Doch Hermann war zielstrebiger als viele seiner Freunde damals. Breaken war für ihn längst nicht nur ein Hobby, es war seine Leidenschaft. Er trainierte fast jeden Tag, mehrere Stunden. Er machte die Schule fertig, studierte Sportwissenschaften in Köln, das war absolut sein Ding. Und arbeitete natürlich weiter an seinem Tanzstil, brachte sich selbst immer neue Moves bei, wurde immer selbstbewusster. »Das Selbstbewusstsein konnte ich dann direkt mal in Japan auf die Probe stellen«, sagt der urbane Tänzer. Dort war er für ein Jahr, Studienaufenthalt. »Ich konnte null Japanisch, war einfach noch nie da drüben. Aber eins hat mir geholfen: Ich hab mich mit anderen verstanden, als wir zusammen getanzt haben. Das hat mir gezeigt: Breakdance bringt Leute zusammen, das ist einfach unbeschreiblich. Es gibt nichts Geileres«.

Kein Muttersöhnchen
Zu seinem Erfolg beigetragen haben auch seine Eltern. »Meine Eltern, die sind richtig streng! Die machen sich immer Sorgen, von wegen ›Herrmann, aus dir wird eh nichts!‹ und sowas«. Schlecht tat es ihm trotzdem nicht. »Ich hab ein paar Lektionen gelernt: Diszipliniert sein, pünktlich, Zusagen einhalten – das bringt einen nach ganz oben. Ich bin kein Muttersöhnchen, weil ich nicht Steuerberater geworden bin, aber ich hab trotzdem was mitgenommen von Zuhause«, fasst der Breaker zusammen. Sein Ehrgeiz hat ihn so weit gebracht, dass er jetzt, mit 26, von seinen Auftritten komfortabel leben kann. Messen, Werbeclips, Stadtfeste: Der Bär fliegt überall. Und nicht nur das: Als Teil des Vereins »artbewegt« gibt er Workshops und macht Networking, und auch an einer LVR-Show mit Künstlern mit und ohne Behinderung, die durch ganz Deutschland tourte, nahm er teil. Letztes Jahr wurde er sogar als »Future Impact Maker« ausgezeichnet, denn er ist ein Beispiel dafür, dass man auch aus dem Jugendtreff heraus Karriere machen kann. Doch Herrmann reicht das alles noch nicht. Er will weiter machen, sich verbessern, höher hinaus. Als nächstes steht für ihn an, eine Veranstaltung zu schaffen, die neue Impulse in die Szene gibt. Auch dass Breaking jetzt eine olympische Sportart ist, gibt ihm Motivation, weiter zu machen und besser zu werden. Und wenn er mal nicht tanzt, dann lernt er Japanisch. »Ich spreche mittlerweile fast fließend Japanisch, daran feile ich jetzt noch«. Dann muss er weiter, zum nächsten Termin.  \

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@breakin.art
@artbewegt