»Fridays For Future« heißt die Bewegung, die seit einigen Monaten regelmäßig dafür sorgt, dass Schülerinnen und Schüler auf den Straßen demonstrieren. Für den Klimaschutz. Und das in der Schulzeit. Wir haben eine Demo besucht, mit vielen Personen gesprochen und uns einen Eindruck verschafft: Was steckt dahinter?
ZUSAMMENGESTELLT VON SIMON WIRTZ und CHRISTINA RINKENS
FOTOS UPMACHER und PRIVAT
Und ich schieß in die Luft. Bäng, Bäng, Bäng. Die Revolution oder Berlin Tag und Nacht.« Freitagmorgen, 10 Uhr. Am Elisenbrunnen dröhnen aus Boxen rebellische Töne. Erst Kraftklub, dann die Ärzte, später Green Day. Bei der Zusammenstellung der Playlist hat sich jemand was gedacht.
Vor allem haben sich die jungen Demonstrierenden was bei ihrem Vorhaben gedacht, freitags auf die Straße zu gehen. Um für einen besseren Klimaschutz einzustehen, um die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens zu fordern. Begonnen hat die Bewegung mit der 16-jährigen Schwedin Greta Thunberg. Seit August 2018 stand die junge Schülerin jeden Freitag mit einem Schild vor dem Schwedischen Reichstag in Stockholm. Die Aufschrift: »Skolstrejk för klimatet«. Übersetzt: »Schulstreik für das Klima«.
Seitdem haben sich überall in der ganzen Welt Schülerinnen und Schüler der Bewegung der Schwedin angeschlossen. Unter dem Namen »Fridays For Future« fordern Jugendliche einen besseren Umweltschutz. »Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut«, ist einer der Slogans, der seitdem auch in immer mehr deutschen Städten Freitagvormittags skandiert wird. So auch in Aachen. Alle zwei Wochen werden hier Demos organisiert. Start ist immer am Elisenbrunnen, über den Hauptbahnhof zum Templergraben und weiter auf den Markt.
Mitte Februar waren es 500, Anfang März 400 Demonstrierende. Jetzt steht am 21. Juni die Großdemo in Aachen an. Diesmal werden 20.000 Teilnehmer erwartet. Das Beachtliche: Während im Februar tatsächlich der ein oder andere der Schule ferngeblieben ist, um teilzunehmen, war im März bedingt durch das Karnevalswochenende ohnehin schulfrei. Dass während der Schulzeit demonstriert wird, missfällt nicht nur dem ein oder anderen Politiker. Armin Laschet, NRW-Ministerpräsident, beispielsweise kritisierte, dass die Schüler nicht in ihrer Freizeit demonstrieren. Natürlich, das ginge auch alles an einem Sonntag. Aber würde dann jemand hinhören, was die jungen Menschen bewegt? Das Echo wäre wohl ein anderes. Aufgehalten hat es die jungen Menschen nicht. Eher im Gegenteil, noch mehr Jugendliche und junge Erwachsene engagieren sich für den Klimaschutz.
Junge Menschen, die sich um das Klima, die Umwelt und die Zukunft der Welt sorgen. Und dafür die Schule schwänzen. Vielleicht ein Anstoß, der nötig gewesen ist. Vielleicht ein Beginn von einer größeren Auseinandersetzung. Verurteilen oder zuhören? Das sind junge Erwachsene, die sich um ihre Zukunft und die ihrer Kinder sorgen – und um unsere. Die Antwort sollte klar sein.
Am Ende jeder Demo formen die Jugendlichen einen Kreis, der die Erde symbolisieren soll. Und danach singen und tanzen sie: »Hurra, diese Welt geht unter. Auf den Trümmern das Paradies« nach K.I.Z. Das ist der Sound der Rebellion. \ cr
Und Nebenan?
Auch vor unseren Nachbarländern macht die Bewegung nicht Halt. In Belgien kommen mittlerweile wöchentlich Tausende in verschiedenen Städten des Landes zusammen, um zu demonstrieren. Ganz vorne mit dabei ist natürlich die Hauptstadt Brüssel, wo bis zu 35.000 Demonstrierende gezählt wurden. Selbst Greta Thunberg persönlich war im Februar vor Ort, um mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über das Anliegen aller Teilnehmer zu sprechen: Eine verantwortungsvolle und zukunftssichere Klimapolitik. In der Niederlande ist die Bewegung noch nicht so wirklich angekommen. Einzelne, kleinere Gruppen in Amsterdam und Den Haag gehen zwar auf die Straße oder demonstrieren vor dem Parlament, aber Tausende wurden hier noch nicht gesehen. Was nicht ist, kann allerdings noch werden: Seit Februar werden die Demos immer beliebter. \ sw
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Einfach und Wirksam
Lena (17), Pia (17), Katja (17), Jessika (17) und Fiona (18) aus Alsdorf
»Wir sind extra heute an unserem schulfreien Tag nach Aachen gekommen, weil wir das Thema enorm wichtig finden. Und das ist eine einfache und zugleich wirksame Möglichkeit, um für unsere Zukunft einzustehen.«
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Kein Bildungsstreik
Helmut (19) von der Mies-van-der-Rohe–Schule in Aachen
»Heute ist frei, weil Karneval ist. Aber es ist wichtig, dass wir trotzdem hier sind. Wir gehen nicht gegen die Bildung auf die Straße, im Gegenteil, wir brauchen ja Bildung, um die Klimaproblematik verstehen zu können. Wir gehen für den Schutz des Klimas und für unsere Zukunft auf die Straße. Schaut man sich das Wetter der letzten Wochen an, sieht man doch, wieso das wichtig ist.«
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Schmelzende Polkappen
Julia (18) vom Einhard-Gymnasium in -Aachen
»Nein, das ist kein Karnevalskostüm. Ich trage dieses Pinguinkostüm, um auf die schmelzenden Polkappen aufmerksam zu machen. Heute bin ich zum dritten Mal dabei. Auch sonst muss ich dafür nicht die Schule schwänzen, weil ich in meinen Freistunden herkommen kann. Mir war es aber auch besonders wichtig, auch heute dabei zu sein, um unseren Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.«
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Hitzesommer und Kältewellen
Stefan (17), Teil des Orga-Teams
»Im Organisationsteam sind insgesamt etwa 40 Leute, davon bilden 15 den aktiven Kern. Die Demos finden alle zwei Wochen statt, in den Wochen dazwischen sind wir aber auch mit einem Infostand in der Stadt präsent. Ich selbst habe letztes Jahr Abi gemacht und bin in meiner Freizeit hier. Ich glaube, dass wir jedes Jahr solche Sommer wie im letzten Jahr und auch immer schlimmere Kältewellen erleben werden, wenn nicht schnell gehandelt wird. Und dann wird es auch Klimaflüchtlinge geben. Wir müssen jetzt handeln.«
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Aktivistenförderung
Maja (11) und ihre Mutter Angela (46)
maja: »Wir sind heute hier, weil wir für das -Klima demonstrieren. Meine Mama arbeitet auch in dem Bereich, deshalb war das heute auch ihre Idee. Ich finde es schade, dass meine Klassenkameraden nicht mitkommen wollten.«
Angela: »Mir war es wichtig, die jungen Demonstranten zu unterstützen. Ich bin überzeugt, dass die jungen Leute hier super viel lernen. Das werden bestimmt mal Top-Aktivisten. Und die braucht der Klimaschutz.«
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Mutter-Tochter-Gespann
Claudia (50) und ihre Tochter Viola (18)
»Ja, meine Tochter hat unentschuldigte Fehlstunden, weil sie regelmäßig zu den Demos kommt. Aber ich finde ihren Eifer unterstützenswert. Heute ist ja sowieso schulfrei, mein Sohn Leander (15) ist deshalb heute auch dabei. Ich habe mich einfach rangehangen, das gebe ich auch so zu. Einfach, weil ich begeistert von der Bewegung bin.«
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Elternstreik
Gabi (63), Administratorin in der WhatsApp-Gruppe »Parents for Future«
»Seit fünf Tagen gibt es unsere WhatsApp-Gruppe, in der sich Eltern organisieren und Kontakte knüpfen, die die jungen Leute unterstützen wollen. Ich selbst habe keine schulpflichtigen Kinder mehr, bin aber begeistert von der Bewegung und möchte meine Unterstützung ausdrücken. Ich bin selbst in den 70er Jahren gegen Atom-energie auf die Straße gegangen. Dass den Schülern Angst gemacht wird, sie müssten mit Konsequenzen rechnen, finde ich nicht richtig. Deshalb wollen wir als Erwachsene sie unterstützen und bestärken in ihrem Vorgehen.«
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Unterstützenswert
Passant am Straßenrand
»Das ist klasse, was die jungen Leute hier -machen. Und wenn ihnen jemand sagt, sie sollten doch lieber zu Schule gehen, dann sage ich: Wenn wir weiter so mit unserer Erde umgehen, braucht es früher oder später keine Bildung mehr. Ich finde das großartig und hoffe, dass sie dran bleiben.«
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Wirkung
Felix Kehren (20), Initiator der ersten »Fridays For -Future«-Demo in Aachen
Wie kamst du auf die Idee, »Fridays For Future«-Veranstaltungen zu organisieren?
Ich hatte einen Artikel über Gretas Engagement in der TAZ gelesen und war fasziniert von der Idee. Gemeinsam mit drei Kommilitonen habe ich mich dann an die Planung gegeben. Innerhalb von 48 Stunden hatten wir die erste Aktion organisiert: Ein Frühstück mitten auf dem Weihnachtsmarkt. Mit gleich 100 Leute.
Wie ging es dann weiter?
Kurze Zeit später gab es das erste Plenum. Dort wurden dann Aufgaben delegiert. Die ersten Demos hatte ich fast alleine gestemmt und kaum gepennt. Peu à peu habe ich dann auch angefangen, mich rauszunehmen.
Weshalb?
Ich wollte, dass die Demos in Schülerhand sind. Ganz einfacher Grund: Wenn ein Student streikt und dafür der Uni fernbleibt, juckt das niemanden. Ganz anders ist die Wirkung, wenn Schülerinnen und Schüler streiken.
Klimaschutz ist dir ein persönliches Anliegen, weil …
… ich der Meinung bin, das die derzeitigen Vertreter der Regierung, wenn sie einmal tot sind, den nachfolgenden Generationen eine Welt hinterlassen, in der man nicht leben kann. Wir brauchen Klimagerechtigkeit.
Was sagst du zu der aktuellen Entwicklung der Demos?
Die Schüler werden immer mehr. Das finde ich beeindruckend. Genauso aber auch die Entwicklung in der Welt: Es wird bereits in über 43 Ländern demonstriert. Der große Klimastreik am 15. März wird vermutlich der größte, denn es je auf der Welt gab. \ cr