Nach dem Abi will man meistens ja nur eins: bloß erstmal nicht mehr lernen müssen. Viele gehen auf Reisen, machen Work and Travel oder ein FSJ. Fremde Länder haben mich schon immer -fasziniert, aber harte körperliche Arbeit eher nicht. Deshalb habe ich mich gegen FSJ und Work and Travel entschieden und für zehn Monate als Au Pair in Rom gelebt. Auf Kinder aufpassen kann ja nicht so schwer sein …
TEXT + FOTOS LILLITH BARTCZAK
Das Land für meinen Aufenthalt war relativ schnell gefunden: Italien – das Land von Pizza und Spaghetti. Kulinarisch genau meine Wellenlänge. Außerdem hatte ich bereits in der Schule Italienisch gelernt und nun war der perfekte Zeitpunkt, um meine Sprachkenntnisse zu vertiefen. Nebenher ein bisschen Babysitting kam mir auch nicht so kompliziert vor. Über einen Aushang fand ich eine Familie in Rom mit einem schulpflichtigen Sohn im Grundschulalter – Perfekt, dachte ich und reiste nach einem netten Skype-Bewerbungsgespräch mit druckfrischem Abi und 20 Kilo Übergepäck in Richtung italienische Hauptstadt.
Das Leben in Rom war zunächst einmal eines: chaotisch. Angefangen von unpünktlichen Bussen, über unübersichtlichen Verkehr bis hin zu teuren italienischen Supermärkten – es war zunächst wirklich schwer, sich zurecht zu finden. Da wurde mir erst richtig bewusst, wie deutsch ich bin und was für Vorteile es hat, in einem Land voller dm-Drogeriemärkte zu wohnen. Außerdem stellte sich der römische Dialekt als sehr schwer verständlich und meine Italienisch-Sprachkenntnisse als allerhöchstens rudimentär heraus. Meine Gastfamilie sprach aber zum Glück deutsch und mit der Zeit wurde es mit der Sprache auch leichter und ich habe mich an die lockere römische Lebensart gewöhnt. Und es hat natürlich auch seine Vorteile in einer der schönsten Städte der Welt zu leben.
Einer der größten Schocks war die Erkenntnis, dass meine italienische Gastfamilie sich überwiegend vegan ernährte. Spaghetti Bolognese? Piccata Milanese? Cappuccino? Fehlanzeige! Aus Rücksicht vor der Laktoseintoleranz meines Gastkindes gab es kaum Milchprodukte und die Mutter war Vegetarierin, ihr Freund Koch in einem veganen Restaurant. Das Ergebnis: Nicht Pizza und Pasta standen meistens auf dem Speiseplan sondern Gemüsesuppe und Reisgerichte. Toll fand ich das zu diesem Zeitpunkt zwar nicht, aber heute bin ich selbst Vegetarierin. Muss wohl doch was hängengeblieben sein.
Natürlich gehört zum Au Pair mehr dazu, als das Leben in der Gastfamilie. Durch die Sprachschule habe ich eine Gruppe von Mädels aus der ganzen Welt gefunden, mit denen ich in meiner Freizeit alles mögliche unternommen habe. Zweimal die Woche haben wir uns in der Schule und anschließend zum Kaffee (Cappuccino!) getroffen, darüber hinaus haben wir aber auch Wochenendausflüge in andere italienische Städte wie Bologna und Venedig unternommen oder sind einfach nur ans Meer gefahren. Mit einigen von ihnen bin ich heute noch befreundet und wir besuchen uns regelmäßig. Durch das Au Pair können auch Freundschaften fürs Leben entstehen.
Zum Schluss muss ich noch was beichten: Das absolute Highlight meiner ganzen Au Pair Zeit war nicht mein Au Pair-Kind, waren nicht die Freundschaften und auch nicht das italienische Essen, sondern die zwei Babykatzen, die die Familie kurz nach meiner Ankunft bei sich aufgenommen hat. Vor allem die winzige, rote Minú, die wir mit der Flasche aufgezogen haben, ist mir wahnsinnig ans Herz gewachsen. Ihr größtes Talent: Kleider-Diebstahl von der Wäscheleine. Sie war einfach zuckersüß und hat es mir wirklich schwer gemacht, nach zehn Monaten als Au Pair in Rom die Heimreise anzutreten.
Insgesamt finde ich, Au Pair ist eine gute Möglichkeit auch -ohne viel Geld und Erfahrung einen Auslandsaufenthalt zu erleben und eine neue Kultur und Sprache kennenzulernen. An meinem ersten Abend in Rom habe ich kein Wort verstanden, inzwischen spreche ich fließend Italienisch und studiere sogar Romanistik. Gelohnt hat es sich also in jedem Fall. \
Au Pair-Anwärterinnen
- Überlegt euch gut, ob ihr euren Aufenthalt privat -organisieren wollt oder lieber auf eine Organisation zurückgreift – beides hat seine -Vor- und Nachteile
- Das Gehalt kann ganz unterschiedlich ausfallen. Eins ist jedoch klar: reich wird man als Au Pair nicht
- Seid euch auf jeden Fall bewusst,
… dass man als Au Pair irgendwo zwischen Familienmitglied und -Arbeitnehmer rangiert – je nach Familie kann das ganz -unterschiedlich interpretiert werden … dass ihr mit eurem Arbeitgeber über Mehrere Monate unter einem Dach wohnen werdet und immer live dabei seid – Streit, Tränen, knallende Türen inklusive - Scheut euch nicht, über einen Wechsel nachzudenken, falls ihr euch in der Familie nicht wohlfühlt. Vor Ort ist es viel einfacher, eine Gastfamilie zu finden, hier kann dann eine Organisation hilfreich sein.