Kurze Geschichte … vom vermeintlich letzten Mal: Manchmal mag man sich nicht eingestehen, dass eine bestimmte Zeit -abgelaufen ist …
VON KIRA WIRTZ
ILLUSTRATION MALTE PFERDMENGES
In meinen Teenagerjahren war ich ein riesengroßer Fan von Julia Roberts. Wobei ich rückblickend doch sagen muss, dass ich nicht Fan ihrer Person, sondern hormonbedingt Fan ihrer damals überaus schmalzigen Filme war. Und dann, in einem Interview, gab Julia Roberts bekannt, dass sie sich aus dem Filmgeschäft zurückziehe und auch bei einer Wiederkehr keine Schnulzen mehr drehen werde. Sie sagte sowas wie: »Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die Menschen in ein paar Jahren eine fast 40-Jährige sehen wollen, die verträumt in die Kamera blickt, sich dabei eine Strähne um den Finger wickelt und just in dem Moment von ihrer großen Liebe wahrgenommen wird.«
Krass, dachte ich damals. Und nein, es wird nicht zu spät sein, dass du dir deine Haare um den Finger wickelst. Du bleibst jung. Du bleibst immer du. Was sollte sich ändern?Nun ja, heute bin ich auch -näher an der 40 als an der 20 und meine Kollegen sind der Meinung, dass eine kurze Geschichte für neo besser von jemandem geschrieben werden sollte, der – sie formulieren es nett – »näher an der Zielgruppe« dran ist. Bis jetzt habe ich mich vehement gewehrt. Ich bin ich. Ich werde doch nicht älter. Ich fühle mich noch genauso wie vor zehn Jahren. Ich bin cool.
Doch dann habe ich angefangen, darüber nachzudenken: In letzter Zeit werde ich sehr, sehr häufig gesiezt, diese Falten auf der Stirn waren früher auch nicht da und seit wann ist »Youtuber« eigentlich ein Job?
Und dann gibt es da immer mal wieder Gespräche, die mich zwar zum Lachen bringen, mir allerdings auch zeigen, dass ich älter – wohl bemerkt aber nicht dümmer – werde.
Zum Beispiel letzte Woche. Da unterhielt ich mich mit einem Freund an der Bar aus irgendeinem Grund über Filme und ich sagte: »Edward mit den Scherenhänden würde ich ja -sooooo gerne nochmal sehen.« Und die Bedienung hinter der Theke – circa 25, Zielgruppe neo – sagt: »Ach, ist das sowas wie Chucky, die Mörderpuppe?«
Huch, dachte ich. Aber gut, nicht jeder kennt jeden Film. Doch zwei Wochen zuvor hatte ich eine ähnliche Konversation bei H&M mit meiner Nichte – 17, fast neo-Zielgruppe. Sie rennt auf ein zerrissenes T-Shirt mit Schriftzug zu und brüllt: »Das Shirt ist echt übertrieben gut!« Ich – übertrieben lässig – zurück: »Ja, das ist echt cool. Vor allem weil Kurt Cobain drauf steht.« Sie – ohne Ende lässig in super kurzen Hotpants: »Ach stimmt, das ist der von den Beatles, oder?!«
»OMG! Was stimmt nur mit der Jugend von heute nicht«, frage ich mich und höre in meinem Kopf die Antwort: Johnny Depp und Kurt Cobain waren cool, als man cool noch sagte und ich es noch war. Das ist passiert. Heute ist man übertrieben irgendwas, kennt nicht mehr Bibi Blocksberg, sondern nur noch Bibis-BeautyPalace und die, die das sind, was früher mal cool war – definitiv neo-Zielgruppe – finden mich alt. Na -super, haben die Kollegen also doch irgendwie recht gehabt.
Und so ehrenwert damals Julia Roberts Platz machte für ihre unzähligen Nachfolgerinnen, mache ich Platz auf der letzten neo-Seite für jemanden, der den Zeitgeist auch trifft. Die Person wird es natürlich schwer haben, aber: Hey, ihr jungen Dinger da draußen, aller Anfang ist schwer! Das weiß ich, weil ich älter bin. Und weiser, klüger und witziger und … das führt zu weit.
Nur soviel: Sollte Julia Roberts nochmal eine Schnulze in der Hauptrolle drehen, sich verträumt eine Strähne um den Finger wickeln und von -ihrer großen Liebe wahrgenommen werden, schreibe ich auch nochmal eine Kolumne für neo. Ich glaube fest daran! \