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Die Stimme mit Hut

Amin Afify (25) macht sich gerade einen Namen als Talent bei »The Voice of Germany«. Dass er viel mehr ist als der »Typ aus der ­Castingshow«, zeigt sich bei einem Besuch im Tonstudio in ­Aldenhoven. Hier arbeitet er schon sehr viel länger an seiner ­Karriere als Musiker und erzählt, wie wichtig dabei der eigene Stil, die idealen Wegbegleiter und zuweilen Meterentfernungen sein können. Eine Annäherung.

VON CHRISTINA RINKENS

Am Ortseingang eine Kirche. Die Straße belegt mit Pflastersteinen, rechts und links alte Bauernhäuser. Vorbei an einem Laden für Angelbedarf, zu weit steht man schon mitten auf dem Feld. Hierher, nach Aldenhoven-Schleiden, kommt man nur, wenn man ein Anliegen hat. Oder ein Verwandschaftsbesuch ansteht. Oder man einen Kandidaten von »The Voice of Germany« treffen möchte.

Denn hinter einer dieser unauffälligen Scheunentüren verbirgt sich »Public Peace Music Productions«, Tonstudio und Musikhandel. Und genau hier verbringt unser Talent Amin Afify sehr viel Zeit. Einmal quer durch den Innenhof geht es eine Treppe hoch und schon steht man mitten im Studio. Amin ist schon da. Voller Bart, auf dem Kopf eine Strickmütze. Gleich zu Beginn macht er eines klar: »Mir ist bewusst, dass das nicht ewig halten wird. Aber ich will alles mitnehmen, solange es geht.« Gemeint ist der Erfolg, der sich gerade durch seine Teilnahme an einer der bekanntesten Musik-Shows eingestellt hat. »Mein Fokus war schon immer, auf der Bühne zu stehen. Das war’s eigentlich schon.«

»Für mich ist das eine Möglichkeit, ein Sprungbrett. Ich will aber nicht für immer der von ›The Voice of Germany‹ sein.«

 

Seit Amins »Blind Audition« am 2. November ausgestrahlt wurde, kennen sein Gesicht ein paar mehr Menschen in Deutschland. Das Prinzip hinter der Musik-Show, die inzwischen in über 55 Ländern produziert wird: Mit dem Rücken zu den Kandidaten sitzen vier Coaches, selbst bekannte Musiker, in ihren drehbaren Sesseln. Einzig um die Stimme soll es gehen. Gefällt ihnen, was sie hören, wird gebuzzert und der Sessel dreht sich. Bei Amin waren es gleich alle vier. Wie entscheidet man sich, wenn man auf einen Schlag Mark ­Forster, Yvonne Catterfeld, Samu Haber von Sunrise Avenue und Smudo und Michi Beck von den Fantastischen Vier überzeugen konnte? »Ich wollte da vollkommen objektiv rangehen«, sagt Amin.

Entschieden hat er sich schlussendlich doch für seinen heimlichen Favoriten, Mark Forster. Wie passend, dass dessen Song »Kogong« nun auch im Hintergrund läuft. Die Coaches ermöglichten ihm sogar bei den Blinds, zusätzlich einen seiner eigenen Songs vorzutragen. Amin ist ein klassischer Singer-Songwriter. Mit starker Stimme, lang gezogenen Tönen und viel Vibrato singt er auf Deutsch und Englisch. »Das war eigentlich mein erklärtes Ziel, meine eigene Musik spielen zu dürfen.« Ziel erreicht.

Seit frühester Kindheit begleitet Musik Amins Leben. Mit sieben der erste Klavierunterricht, später hat er sich selbst das Gitarre spielen beigebracht. Nur mit dem Singen hat es ein bisschen länger gedauert. Anfangs schüchtern, hat er nur gesungen, wenn gerade auch der Staubsauger lief. Das hat sich zum Glück gelegt.

Seit frühester Kindheit begleitet Musik Amins Leben. Mit sieben der erste Klavierunterricht, später hat er sich selbst das Gitarre spielen beigebracht. Nur mit dem Singen hat es ein bisschen länger gedauert. Anfangs schüchtern, hat er nur gesungen, wenn gerade auch der Staubsauger lief. Das hat sich zum Glück gelegt.

 

200 METER ZUM ERFOLG
Wie kam es denn jetzt zu der Teilnahme an dem Format? »Meine Freunde und Familie haben schon lange damit rumgenervt.« Aber viel wichtiger sei ihm lange Zeit gewesen, seine eigenen Sachen machen zu können. Seine eigene Musik zu spielen, zumal er nur ungerne covert. Aber dann wurde es doch der richtige Schritt zur richtigen Zeit. »Außerdem war das Casting nur 200 Meter von meiner Wohnung entfernt, das ist der Hauptgrund«, witzelt er. »Nein, mir war es einfach nur wichtig, dabei authentisch bleiben zu können und mich nicht verbiegen zu müssen. Und die Professionalität von ›The Voice of Germany‹ ist unbezahlbar. Ein tolles Team, wie eine kleine Familie, besonders unter den Talenten. Und Cover zu singen ist schon okay, wenn ­etwas eigenes von mir einfließen kann. Und das geht bei der Show.«

Seit etwa drei Monaten ist Amin jetzt mit der Musik-Show-Format beschäftigt. Bevor es zur »Blind Audition« ging, galt es bereits ­zahlreiche Vorcastings zu überstehen. Für ihn ist es schon ein Erfolg, jeweils eine Runde weiter zu ­kommen. »Es ist einfach ein Sprungbrett und das möchte ich proaktiv nutzen. Auch wenn ich nicht für immer der von »The Voice of Germany« sein möchte. Aber es ist ein ­tolles Format, bei dem man zudem so dargestellt wird, wie man wirklich ist.« Allein nach der ersten Folge haben ihn so viele Nachrichten von Leuten erreicht, dass der Auftritt ihnen eine Gänsehaut verpasst habe oder sie danach ein Lächeln im Gesicht hatten, obwohl es ihnen vorher schlecht ging. »Und das ist mein Ziel: Viel ­Musik machen, viel vor Publikum spielen. Und Menschen begeistern.«

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Neben dem Casting-Trubel geht er weiterhin seinem Job als Notfallsanitäter beim Rettungsdienst in Düren nach. Eine Doppelbelastung. Ab Januar wird er nur noch Teilzeit arbeiten, das war schon lange vor der Teilnahme geplant. »Ich werde nicht nie mehr arbeiten, aber es ist auf Dauer nicht machbar, sich der Musik und dem Job gleichermaßen zu widmen.« Sein Chef und seine Kollegen unterstützen ihn sehr bei dem ganzen Unterfangen. »Die haben auch viel mitgemacht.« Drehs auf der Wache, lange Ausfälle. Gerade ist Amin dabei, die Zeit nachzuarbeiten. Bedeutet: Nachts Zwölf-Stunden-Schichten fahren, tagsüber an der Karriere basteln.

VON GEFÄHRTEN UND TRUCKS
Hier im Aldenhovener Studio laufen gerade die Vorbereitungen für das Weihnachtskonzert von »Public Peace« am Wochenende in Eschweiler. Dort hat Amin gewohnt, bevor es ihn vor circa zweieinhalb Jahren nach Köln zog. Am dortigen Gymnasium lernte er auch ­Michael Heidmann kennengelernt. Seitdem Freund und Unterstützer. Und nebenbei Musikproduzent des Studios. Zusammen in der Schulband haben sie angefangen, gemeinsame Bands folgten. Neben Freunden, haben auch seine Eltern Amin schon immer unterstützt. Als er sechs war, zogen sie mit ihm und seiner Schwester von Kairo nach Eschweiler. »Sie haben das für uns Kinder gemacht. Ich weiß aber bis heute nicht, wieso eigentlich ausgerechnet nach Eschweiler.«

Sein Vater zählt zu seinen größten Kritikern. »Einmal sagte mein Dad zu mir, ›so gut kannst du das aber nicht mit dem Singen.‹« Doch das ist lange, lange her. Zu der Zeit hat Amin sich auch selbst noch geziert und nur gesungen, wenn gleichzeitig der Staubsauger lief. Heute zählt sein Vater zu seinen größten Fans. Bei jedem Auftritt stehe er in der ersten Reihe und kaufe auch konsequent jedes Mal Alben. »Auch wenn ich ihm immer sage, dass er das nicht muss.« Bei den Fernsehauftritten sieht man seine Eltern mitfiebernd hinter den Kulissen. »Ich könnte mir keine besseren vorstellen.«

Zahlreiche Möglichkeiten haben sich durch die Erfolg ergeben. Aber Amin bleibt auf dem Boden: »In meinem Kopf hat sich ja nicht viel geändert.«

Zahlreiche Möglichkeiten haben sich durch die Erfolg ergeben. Aber Amin bleibt auf dem Boden: »In meinem Kopf hat sich ja nicht viel geändert.«

 

Am 17. Dezember läuft das Finale von »The Voice of Germany«. Hier wird Amin wohl nicht dabei sein. Aber das war ja auch nicht das erklärte Ziel. Zwischenzeitig stehen für Amin noch zahlreiche Auftritte an. Unter anderem beim »Coca Cola«-Weihnachtstruck. Möglichkeiten, die sich durch seine Teilnahme ergeben haben. Amin sieht sie als diese und nutzt, was kommt. »Und den Weihnachtstruck wollte ich sowieso immer schon mal sehen.«

Nun geht es für ihn erstmal zurück nach Köln. Dann will er sich auf der Couch entspannen. »Exakt so lange, bis mir einfällt, was noch alles zu erledigen ist, dann werde ich seufzen und weiterarbeiten.« Einsatz zeigt Amin eben bei allem. \

FOTOS: Yasin Bulut + privat