Die Bandbreite ist nicht nur ein hipper Second Hand Laden, sondern vor allem ein Ort der Vielfalt und eine besondere Begegnungsstätte. Bei einem Bier auf der Laden-Bühne erzählt uns Sebastian Weever von den Menschen, die hinter dem Projekt stehen und von den tagtäglichen Herausforderungen.
VON ANJA NOLTE
Die Bandbreite gehört zum WABe e.V. – Diakonisches Netzwerk Aachen, das seit mehr als 30 Jahren Menschen in besonderen sozialen Schwierigkeiten unterstützt. Was heißt das genau?
Es gibt Menschen in unserer Gesellschaft, die aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage sind, dem regulären Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Etwa Wohnungslose, Überschuldete, Entlassene aus einer geschlossenen Einrichtung, Opfer von Gewalt, aber auch Menschen mit einer körperlichen Behinderung oder psychischen Erkrankungen. Der Grundgedanke von WABe ist, dass Wohnen, Arbeit und Beratung unbedingt zusammengehören, um sozial benachteiligten Menschen umfassende Hilfe leisten zu können.
Welche Aufgabe hat die Bandbreite?
Die Bandbreite ist ein Beschäftigungsprojekt und bietet derzeit elf Langzeitarbeitslosen die Möglichkeit, in einem geschützten Rahmen am Arbeitsleben teilzunehmen. Zwei hauptamtliche Fachanleiter unterstützen sie bei den täglichen Aufgaben, die ein Laden für Second Hand Ware mit sich bringt. Unsere Mitarbeiter stellen auch eigene Upcycling-Kollektionen her, zum Beispiel Schmuck aus recycelten Perlen. Wir erhalten zudem Produkte aus anderen WABe-Einrichtungen, aufgearbeitete Vintage-Möbel aus der Kreativwerkstatt etwa, darunter auch ausgefallene Stücke wie unsere Tausendfüßler-Bank.
Und Dein Job?
Als Sozialdienstmitarbeiter bin ich die Anlaufstelle für die vielfältigen Problemlagen unserer Teilnehmer, beispielsweise wenn sie Schwierigkeiten mit dem Job-Center haben, ihre Post nicht verstehen oder auch für komplexere, psychosoziale Angelegenheiten. Ich versuche, die Menschen, die etliche Jahre ohne Arbeit waren, wieder an einen geordneten Tagesablauf heranzuführen. Wenn sie regelmäßig zur Maßnahme erscheinen, dann ist das oft schon ein großer Erfolg. Oder wenn ein Teilnehmer besser schlafen kann, weil er endlich an die Schuldnerberatung angebunden ist.
Du bist seit Januar bei der Bandbreite. Gab es für Dich besondere Begegnungen?
Definitiv! Ich habe eine ganze Reihe von Leuten kennengelernt, die mich auf ihre Art und Weise beeindrucken. Eine Dame aus dem Libanon zum Beispiel, die sich ihr Leben lang für andere aufgeopfert und ihre eigenen Bedürfnisse komplett zurückgestellt hat – zunächst für ihre Kinder, später für ihren Mann, der erkrankt ist. Sie hat eine unglaublich interessante, zum Teil auch krasse Biografie. Aber jetzt, da ihre Kinder erwachsen sind und ins Berufsleben starten, hat sie sich gesagt: »Das muss ich jetzt auch tun. Jetzt bin ich dran!« Und sie hält daran fest. Mit einer Fröhlichkeit und einem unglaublichen Engagement arbeitet sie daran, für sich selbst eine sinnvolle Perspektive zu entwickeln. Das ist sehr inspirierend. Und natürlich: Alois Poquett.
Dein Chef?
Ja, es ist beeindruckend, wie er den ganzen sozialpolitischen Wirrwarr händelt und so einen Verein wie die WABe über die Jahrzehnte hinweg am Laufen hält.
»Menschen mit sozialen Schwierigkeiten sollen nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, sondern mittendrin sichtbar gemacht werden.«
Zur Eröffnung der Bandbreite vor zwei Jahren hat Alois Poquett gesagt, dass der Standort an der Kleinkölnstrasse durchaus politisch zu verstehen sei.
Menschen mit sozialen Schwierigkeiten sollen nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, sondern mittendrin sichtbar gemacht werden – in unserem Fall mitten in der Innenstadt. Viele Leute haben eine diffuse Angst: Angst vor Kontakt, Angst vor Gesprächen. Wenn die Leute einem Hartz IV-Empfänger oder einem Migranten begegnen, dann fehlt das wirkliche Hinschauen: Wen habe ich da eigentlich vor mir? Stattdessen werden sie direkt in eine Schublade gesteckt und das war’s dann. Ich würde mir wünschen, dass die Leute mehr aufeinander zugehen und miteinander reden. Die Bandbreite soll daher auch ganz bewusst ein Ort der Begegnung sein, wir veranstalten Vernissagen und öffnen an jedem ersten Freitag im Monat unsere Laden-Bühne für Aachens Kleinkünstler. Jetzt im Dezember findet auch wieder unser Weihnachtsmarkt im Vorhof statt.
Was braucht man, um dieser täglichen Herausforderung »soziale Arbeit« begegnen zu können? Neben dem üblichen Handwerkszeug?
Kommunikationsfähigkeit, ein besonderes Maß an Engagement und die Überzeugung, dass man für die richtige Sache einsteht.
Hast du ein Vorbild?
Meine Mama! Absolut. Meine Mama ist alleinerziehend, war früher selbst Heimkind, und hat mich und meine vier Geschwister großgezogen. Drei meiner Geschwister sind sogenannte »Dauerpflegekinder« und auf dem allerbesten Weg – trotz Downsyndrom und Alkoholembryopathie. Ihre Einstellung, uns alle so zu nehmen, wie wir sind, mit all unseren Stärken und Schwächen, das hat sich bei mir eingeprägt. Ich glaube, dadurch, dass ich miterlebt habe, was meine Mutter Tag für Tag leistet, habe ich viele Eigenschaften angelernt bekommen, die mir auch jetzt im Job helfen. Dieses ressourcenorientierte Schauen: Was kann mein Gegenüber? Und dann eben auch die Flexibilität zu haben, sich darauf bestmöglich einzustellen. \
Bandbreite – Der Second-Hand-Laden des WABe e.V.
Kleinkölnstraße 18
MO-SA 10-19 Uhr
facebook.com/wabebandbreite
www.wabe-aachen.de