Ein (oder zwei) Bier mit der Frau hinter dem beliebten Straßenfest in der Lothringer Straße. Ein Plausch über die Raststätte, die Aachener Szene, platzende Luftballons und Hydranten.
INTERVIEW CHRISTINA RINKENS
Wenn Du nicht gerade das Lothringair planst, arbeitest Du in der Raststätte mit. Wie ist es dazu gekommen?
Ich bin vor ungefähr neun Jahren nach Aachen gekommen und habe ziemlich schnell die Raststätte für mich entdeckt. Ich war begeistert von dem Konzept. Dann hat es noch ein paar Jahre gedauert, bis auch eine Wohnung im gleichen Haus frei wurde. Seitdem bin ich hier verwurzelt. Über die Raststätte ist dann auch die Idee entstanden, mal ein Festival, etwas draußen vor der Tür zu machen. Etwas Größeres.
Ich habe mal gelesen, dass sei eine Schnapsidee gewesen.
Ja, genau. Ich hab‘ damals mit meinem Mitbewohner Benedikt am Küchentisch gesessen. Ich brauchte eine Idee für die Abschlussarbeit meines Grafikdesign-Studiums. Er meinte, »mach doch mal ein Corporate Design für ein Festival.« Und dann habe ich das Corporate Design für das Lothringair gemacht. Als es das dann gab, dachten wir, man könnte ja mal ein bisschen in der Straße abtasten, ob sich die ansässigen Läden ein Straßenfest vorstellen könnten.
Dein Mitbewohner war Benedikt Offermanns, der viele Jahre das Lothringair mit Dir organisiert hat.
Genau. Wir waren ein super Team. Wir haben uns auch ganz gut ergänzt, weil er eher der Verkaufstyp ist und ich eigentlich jemand bin, der gerne im Hintergrund arbeitet. Vieles haben wir am Küchentisch geregelt, das hat alles sehr einfach gemacht. Inzwischen wohnt er in Berlin, er wird aber natürlich zum Lothringair kommen.
Dann war die Idee da. Und wie ging es weiter?
Als wir merkten, dass die Resonanz positiv ist, haben wir den Verein gegründet. Am Anfang war es schwer, weil natürlich alles sehr demokratisch ablaufen und jeder seine Meinung und seine Ideen einbringen sollte. Zum Beispiel hat ein ehrenamtlicher Kulturladen wie die Raststätte eine ganz andere Intention, als ein Geschäft, das natürlich auch wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen muss. Was ich auch total legitim finde. Die Aufgabe war, daraus ein Konzept zu formen.
Und dann kam das erste Lothringair.
Wir hatten überhaupt keine Ahnung, ob jemand Interesse daran haben würde. Ob es überhaupt die Nachfrage für ein Straßenfest gab. Man darf ja nicht vergessen, dass keiner von uns selber genau wusste, was da passieren würde. Natürlich hat man Erwartungen. Aber wenn die dann tatsächlich erfüllt werden … Wir waren super überrascht, dass es so gut lief. Und jedes Jahr lief es besser.
Was machst Du hauptberuflich?
Ich bin Grafik-Designerin, habe aber auch Städtebau studiert. Weil ichFreiberuflerin bin, kann ich ein bis zwei Tage die Woche für das Festival arbeiten.
Also eine ganz schöne Doppelbelastung.
Naja, also Belastung … ich mache es ja auch sehr gerne. Das ist wie ein Baby, das man erschaffen hat und das jetzt aufwächst. All dieses Engagement ist natürlich ehrenamtlich. Für mich ist das ein Stück weit Lebensinhalt und auch Selbstverwirklichung. Allein die Begegnungen – wenn ich überlege, wie viele Leute ich durch die Festival-Planung aus der freien Szene in Aachen kennengelernt habe – das ist wirklich schön.
Ans Aufhören denkst Du also nicht?
Nein. Wenn sich privat bei mir was ändern würde, dann schließe ich aber nicht aus, irgendwann kürzer zu treten.
Gibt es denn noch andere Ideen in Deinem Kopf?
Mein Traum ist ja irgendwie eine zweite Raststätte.
In Aachen?
Ich weiß gar nicht, ob das unbedingt hier sein müsste. Darüber habe ich mir noch nicht so viele Gedanken gemacht. Aber die Raststätte ist in Aachen so eine Insel, die eigentlich zu klein ist. Für die freie Szene müsste es mehr Raum geben. Und Leute, die so wie Waltraud von der Raststätte die Initiative übernehmen. Die Entwicklung um das OnRust, das sich gerade als zweite Raststätte etabliert hatte, finde ich furchtbar schlimm. Das war auch eine Entlastung für die Raststätte.
Wenn grosse Aachener Firmen Euch ein Sponsoring für das Lothringair anbieten, wie geht Ihr damit um?
Da haben wir eigentlich recht strikte Standpunkte. Wir versuchen, dass es immer in einer Form von Kooperationen abläuft und nicht in Form eines plakativen Sponsorings.
Gab es schon mal Probleme mit der Stadt Aachen?
Nein, das kann ich nicht behaupten. Man bekommt natürlich mit der Genehmigung eine seitenlange Liste mit Auflagen. Die aber auch immer mit der Sicherheit des Fests zu tun haben.
Und die Anwohner?
Bei uns in der Straße sind eigentlich immer alle begeistert, ich habe bisher kaum negative Stimmen gehört. Nichtsdestotrotz gibt es natürlich immer Anwohner, die sich quer stellen und beschweren.
Worüber wird sich beschwert?
Lärm. Aber dieses Problem hat jede große Veranstaltung, das ist ganz normal. Und man sollte meinen, dass man einmal im Jahr Zugeständnisse macht. Aber manche wollen nicht einen einzigen Tag im Jahr auf ihren Parkplatz vor der Tür verzichten. Da muss man eben Diplomat spielen und dann geht auch das. (lacht)
Ansonsten erfreuen sich die Lothringer an ihrem Fest?
Ich habe das Gefühl, dass es vor allem durch dieses Festival nachbarschaftlich einfach total nett geworden ist. Ich laufe selten durch die Straße ohne jemanden zu treffen und mit ihm zu klönen. Das ist total schön, ich würde auch nicht aus diesem Haus ausziehen. (lacht)
Ist denn schon mal was richtig schief gegangen? Irgendwas kaputt gegangen?
Ach ja, sowas passiert. Ob im Vorbereitungsprozess oder während des Festivals selber. Wir mussten lernen, damit umzugehen. Dass mal ein Künstler einfach nicht auftaucht oder ein Kabel fehlt. Kleinigkeiten. Mein schönstes Erlebnis war, als ich ein Standrohr aus einem Hydranten gedreht habe, ohne vorher das Wasser abzudrehen. Die Folge war eine riesige Fontäne. Ich war patschnass und habe den Hydranten auch nicht wieder zubekommen. Und dann kam mir irgendwann – nachdem alle fertig waren mit Fotografieren, weil sie es total lustig fanden – jemand zur Hilfe.
Das Straßenfest bedeutet für Dich viel Arbeit.
Es ist schon super anstregend. Viele vergessen immer, dass es an einem Tag ist – das heißt wir müssen für diesen einen Tag die gesamte Straße sperren, an einem Tag morgens alles auf und abends wieder abbauen. Und das in einem funktionierenden Stadtsystem. Das ist schon ein riesiger Aufwand und Kraftakt.
Für Dich beginnt die Aftershowparty im Musikbunker also später?
Wenn sie überhaupt beginnt. (lacht) Letztes Jahr war ich für eine halbe Stunde da. Dachte, man muss sich einmal kurz zeigen und gucken, ob es auch gut ist. Und es war wohl auch sehr gut. (lacht)
Fällt abends und am nächsten Tag viel Last von Dir ab?
Ungemein. Ich arbeite an diesem Ding ziemlich viele Stunden. Wenn dann der Tag um ist, ist es als würde ein Luftballon, der sich über die ganzen Wochen aufgeblasen hat , letztlich »bum« machen. Die Last fällt dann irgendwann abends ab, wenn man merkt, das alles läuft. Wenn man sieht, dass sich die Leute amüsieren, die Künstler Spaß haben und die Stimmung schön ist. Dass alles so ineinander greift, wie man sich das überlegt hat. Dass das Straßenfest-Feeling da ist. Das ist dann so ein Moment, in dem ich das alles kurz auch genießen kann. Der alles wieder gutmacht. Jetzt muss ich halt gucken, dass es neue Leute gibt, die mit einsteigen wollen. In das gar nicht mehr so kalte Wasser. (lacht) \