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Geschrei, Melodie, Methode

Fjørt aus Aachen ballern Hardcore mit einer gemeinsamen Idee: Wenn wir das machen, dann machen wir es richtig. Teil des Plans sind deutsche Texte, die im Kopf bleiben.  

INTERVIEW MARCUS ERBERICH

Für alle, die Euch nicht kennen: Beschreibt doch mal Euren Stil! 

Chris: Die Schublade würde man wahrscheinlich Post-Hardcore nennen. Grundsätzlich machen wir Geschrei, emotionales Gekeife mit dicken Gitarren- und Basswänden – und sehr viel Melodie.

David: Fjørt funktioniert nicht leise. Das ist immer ’ne Wand.

Sind es die Melodien, die Euch von anderen Bands des Genres unterscheiden? 

Chris: Bloßes Geknüppel interessiert uns nicht. Das gibt mir selber gar nichts. Und ich glaube, da spreche ich für uns alle. Uns kickt es viel mehr, wenn eine Melodie dahinter steht, die das Ganze leitet.

David: Es geht immer um eine Melodie, die dich mitnimmt und nicht mehr loslässt. Auch, wenn du den Song längst ausgeschaltet hast.

Zwei Alben in zwei Jahren: habt ihr es eilig?

David: (lacht) Also, das sind ja keine Alben gewesen. Das sagen immer alle so. Das erste, »Demontage«, ist aber eine EP gewesen. Mit sechs Songs…

Chris: Fjørt ist ja auch nicht die erste Band für uns alle, sondern wir haben alle schon ein paar Jährchen auf dem Buckel. Also haben wir gesagt: Dann lasst es uns auch richtig anpacken! Wir machen einen Studiotermin und nehmen was auf. Von der ersten Probe an hat das mit uns gezündet, auch mit unserem Drummer Frank, den wir vorher kaum kannten.

David: Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir nicht auf die Bühne gehen, ohne etwas zu haben, was die Leute hinterher mit nach Hause nehmen können. Und zwar nicht ’nen Flyer und ’nen Sticker, sondern die Mucke, die wir vorher gespielt haben.

»Zeit Online« hat über Euch geschrieben, »Metal.de« hat Euer neues Album zu einem der besten des Jahres gekürt und »Visions« findet Euch sowieso gut. Wie fühlt sich das an? 

Chris: Das Feedback ist auf jeden Fall superkrass! Es war auch nie so beabsichtigt, dass wir mit der Platte die Magazine ködern wollen. Aber dann kamen die Reviews und wir waren überwältigt, dass unsere Musik den Leuten so gut gefällt.

David: Letztlich läuft das ja auch über unser Label, This Charming Man Records in Münster. Das muss man ganz klar sagen. Wir als Band machen die Platte, geben sie dem Label und die kümmern sich dann darum, sie möglichst breit zu platzieren. Uns hat das unglaublich weit nach vorne gebracht. Plötzlich sehen die Leute: Ey, da gibt’s wen!

Waren die Tage im Studio hart?

Chris: Also, als wir aus dem Studio raus waren, waren wir einfach nur froh, dass es endlich vorbei war. Wir haben uns echt zerschossen, haben in jedes Detail unglaublich viel investiert. Wir haben geschliffen bis es nicht mehr ging, haben im Studio noch an Texten gearbeitet. Dann ist man erst mal froh, wenn irgendwann alles im Kasten ist.

Ihr habt eine dreiwöchige CD-Release-Tour in den Knochen. Wie war’s?

Chris: Tja, wie soll man das sagen? Das war … ein Abenteuer!

David: Es ist echt unfassbar krass gewesen! Wir haben 21 Shows in a Row gespielt. Jede Show, meganette Veranstalter, alles geil, alles cool. Wir hatten super fette Trips dabei, auch lange Fahrten. Wir sind eine Band, die sowas sehr gerne macht – und dann auch nicht vor vier Uhr morgens im Bett liegt. Alles gut. Nur: Das nächste Mal machen wir zwei Mal zehn Shows mit Pause dazwischen…

Chris: … ich glaube auch. Also, das war jetzt echt ’ne super geile Erfahrung. Wir haben ja auch viel im Ausland gespielt – in der Schweiz, Italien, Kroatien. Das war immer unser Wunsch, ist aber auch sau anstrengend. So eine Nachtfahrt von Zagreb nach Wiesbaden…

David: … nach der Show in Zagreb bin ich direkt nach Wiesbaden durchgeheizt. Wenn du dich nach der Show für drei Stunden hinlegst, hast du nichts gewonnen. Dann sind wir halt in der Nacht gefahren. Ich saß am Steuer. In der ersten halben Stunde war auf dem Rücksitz noch Highlife, Party, die letzten Biere wurden gezischt. Irgendwann wurde aber alles leise. Und dann sitzt du da, 750 Kilometer vor dir, stockdüster…

Chris: …man kommt an seine Grenzen.

Was steht in den nächsten Wochen an? 

David: Wir wollen uns wieder ans Songschreiben begeben, es aber diesmal etwas ruhiger angehen lassen. Ende 2015 wieder ins Studio – das haben wir uns als grobes Ziel gesetzt. Ansonsten wollen wir erst mal auf die Bühne, wir spielen im Sommer etliche Festivals. Das ist für uns das Geilste. Und da sind zuletzt sehr viele Anfragen rein gekommen.

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Fjørt sind v.l.n.r.: Chris (Gitarre, Gesang), Frank (Drums) und David (Bass)

Gitarre, Bass, Drums – Ihr habt das denkbar puristischste Equipment. Eine bewusste Entscheidung? 

Chris: Wir haben uns zu dritt getroffen mit der Absicht, zusammen brachiale Mucke zu machen. Das hat vom Sound her sofort funktioniert. Wir haben zwar überlegt, noch einen Stand-Alone-Sänger rein zu holen, aber ich hatte auch mal Bock zu schreien und wollte das mal ausprobieren. Und dann hab ich das bei der ersten Probe gemacht und die Jungs haben gesagt: Jo, gekauft! Außerdem: Mit so wenigen Instrumenten ist der Sound auch nicht so überladen. Das finde ich ganz angenehm.

Ihr singt und shoutet auf Deutsch. Wieso? 

Chris: In meiner alten Band haben wir hauptsächlich auf Englisch gesungen. Da war ich zwar nicht der Sänger, habe aber Texte geschrieben. Ich hatte schon lange Textfragmente auf Deutsch rumliegen. Weil ich das Gefühl hatte, mich da am besten ausdrücken zu können. Man kann mal Wörter umstellen, neu zusammenbauen oder erfinden. Das geht eigentlich nur in der Muttersprache.

Manche mögen’s, andere mögens’s nicht. Welches Feedback kriegt Ihr, weil ihr Deutsch singt?

David: In Reviews wird das immer sehr gelobt, da wird dann mit Zitaten aus unseren Songs rumgeworfen. Eine deutsche Zeile schlägt dir ins Gesicht und bleibt. Das hast du bei einer englischen nicht unbedingt.

Chris: Unsere Texte sind vielleicht abstrakt, aber von den Wörtern her sehr direkt. Das ist ja auch unsere Absicht.

Die Texte, die Musik, das Label. Man könnte sagen, Fjørt ist einfach gut geplant.

David: Das Rockstar-Ding haben wir alle schon in unseren ersten Bands durchlebt, als man vor seinen Freunden gespielt und sich wie der Größte gefühlt hat. Das haben wir hinter uns. Jetzt überlegen wir sehr genau, was wir mit Fjørt erreichen wollen. Wir machen einfach viele alte Fehler nicht mehr.

Chris: Dazu kommt, dass wir uns untereinander sehr gut verstehen, auch privat. Wir haben zu vielem die gleiche Meinung und müssen nicht über alles fünf Stunden diskutieren – Sound, Texte, Design. Das ist einfach schön.

Ein Gedankenspiel: Für welche Band würdet ihr niemals Support machen?

David: Frei.Wild, Böhse Onkelz…

Chris: … Und Helene Fischer.

David: Genau! Musikalisch könnte ich auch nen HipHop-Act supporten. Mir kommt’s drauf an, wofür die Bands stehen.

Ihr sprecht über Ideale. Welche sind das?

Chris: Authentizität ist uns extrem wichtig. Wir haben keinen Bock uns zu verbiegen und etwas anders zu machen, nur weil es gerade cool ist.

David: Und Dankbarkeit. Zum Beispiel gegenüber Veranstaltern, die für unsere Gigs keinen müden Cent kassiert haben und die uns in ihren privaten Betten haben pennen lassen. Die haben sich den Hintern aufgerissen und uns Frühstück gemacht, damit wir spielen können.

Angenommen, ich bewerbe mich bei »DSDS«, nehme ein Lied von Euch und mache da so ’ne richtige Schnulze draus. Was macht ihr mit mir?

Chris: Ich fänd’s irgendwie geil!

David: Man muss gucken, wie es klingt. Die Idee finde ich gar nicht mal so schlecht. Ich würde es mir auf jeden Fall angucken. Immerhin steckt ja eine Idee dahinter, künstlerisches Schaffen. Das respektiere ich. Aber wenn jemand unsere Texte ändern oder verarschen würde, das fänd‘ ich kacke!

Letzte Frage: wir sitzen heute im Café Kittel, weil ihr sagt, dass Euer Proberaum zu sehr stinkt. Welche Gerüche dominieren dort?

David: Kalter Rauch. Zum Kotzen.

Chris: Gut, der stört mich jetzt nicht so sehr, ich bin schließlich der Produzent dieses Rauchs. Aber dieser Muff …

David: … manchmal auch Pups. Aber wir sind dankbar, dass wir den Raum im Musikbunker überhaupt haben! \

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