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»Ich sang mir die Seele aus dem Leib«

Zu Fuß über den See Genezareth – NEO-Autor Stefan Wetzels auf heiliger Mission. Foto: Privat

Zu Fuß über den See Genezareth – NEO-Autor Stefan Wetzels auf heiliger Mission. Foto: Privat

NEO-Autor Stefan Wetzels verbrachte ein Jahr in Israel. Auf seiner Reise zu Fuß durchs Land machte ihn ein Missverständnis zum Hirten einer christlichen Gemeinde. Die Geschichte einer Messe wider Willen.

Seit sechs Monaten war ich schon in Israel, als ich an einem kalten Tag im März (40 Grad) beschloss, endlich wieder zu reisen. Ich hatte mir einen Drei-Tage-Wandertrip durch Galiläa vorgenommen. Natürlich nicht, weil ich so wahnsinnig katholisch bin und beten wollte. Wie man sich täuschen kann…

Der »Jesus Trail« von Nazareth nach Kapernaum führt auch durch das (vermutlich) biblische Cana. Wasser zu Wein und so. In einer Kapelle am Wegrand waren gerade einige Mönche dabei, die Messe vorzubereiten. Ich war müde und wollte nur zuhören und mich ein bisschen ausruhen, also setzte ich mich auf eine Bank in der Kapelle und wartete.

Bis mich so ein Mönch auf italienisch anquatschte und mich fragte, ob ich Durst hätte. Klar hatte ich Durst! Also führte er mich nach hinten in die Sakristei. Zu trinken gab es nichts, er plapperte fröhlich vor sich hin, ich sagte auf gut Glück ab und zu »si«. Zu meinem Verwundern steckte mich der Kerl schließlich in ein Messgewand.

Schlagartig wurde mir mein Riesenverständnisfehler klar. Er hatte vorhin nicht gefragt, ob ich durstig bin, sondern ob ich der Priester sei! Und ich hatte fröhlich »si« gesagt! Das kann man doch im Italienischen schon mal verwechseln (»sete«, »prete«). Ich steckte mitten drin im Schlamassel. Er hatte schon die Glocken gebimmelt und schob mich sanft, aber mit Nachdruck hinter den Altar.

Was sollte ich machen? Mitten in der Messe im Priestergewand abhauen? Es half alles nichts. Ich rief alles aus meinem Hirn ab, was ich von der Kommunion noch wusste und hielt die Messe in Cana. Die verrückteste halbe Stunde meines Lebens!

Stotternd und trilingual (englisch, italienisch und lateinisch) brachte ich den heiligen Geist auf die Erde, sang mir die Seele aus dem Leib, sprach den Segen und verteilte Hostien in gierige Mönchsmünder. Mein einziger Antrieb, nicht vor Panik einfach wegzurennen, war der Gedanke, dass die mich auf der Stelle steinigen, wenn der ganze Zirkus auffliegt. (»Er hat Jehowa gesagt!« Die Stories kennt man ja.)

Es galt, das Beste draus zu machen. Größtenteils ließ ich mich von ihnen durch den Gottesdienst dirigieren und las vor, was sie vorbereitet hatten. Im Grunde nicht so schwer, der Hirte einer Gemeinde zu sein. Selbstbewusstsein und panische Angst zwingen einen zu Höchstleistungen. Wer weiß schon wie vielen Chefs es in Wahrheit so geht wie mir…

In nomine patri et filii et spiriti santi! Und tschüss. Haste gedacht! Da war erstmal noch quatschen angesagt. Wo ich studiert habe? Wer mir die Priesterweihe verliehen hat? Ob ich nur auf Reisen bin, oder ich eine feste Gemeinde betreue? Nie zuvor in meinem Leben hatte ich so viele Geistliche auf einmal angelogen.

Nachdem ich dann nach Stunden mein heiß ersehntes Wasser bekam und mich auf den Weg machte, verabschiedeten sie mich mit den Worten: »Selten haben wir solch spirituell starke Persönlichkeiten zu Besuch! Möge Gott mit Ihnen sein.«