»BEKOMM DU ERST MAL KINDER«
Ich habe nichts gegen Kinder, ich finde Kinder sogar ganz süß. Aber ich habe etwas dagegen, dass plötzlich alle möglichen Leute anfangen Kinder zu bekommen.
TEXT: KIRA WIRTZ
Erst waren es nur Freunde von Bekannten, dann Freunde von Freunden und dann die Freunde selber. Und da frag ich mich: Wie geht das und wie ist das passiert?
Jaja. Natürlich ist mir klar, wie man Kinder bekommt. Ich meine ein anderes »wie geht das«. Wie geht das, dass man plötzlich sein Leben ändert? Und vor allem: Wie geht das, dass man plötzlich auf Partys in Gespräche über Alete-Gläschen und Abstillen verwickelt wird?
Ich hatte da mal ein einschneidendes Erlebnis. Ich war auf einem Geburtstag eingeladen. Bei Freunden, die ich noch aus der Schule kannte. Nicht meine allerbesten Freunde, aber dennoch Gute, die man in den letzten Jahren ein wenig aus den Augen verloren hatte. Eine Grillparty war genau das Richtige, um an frühere Partyhighlights anzuknüpfen. Beginn: 15 Uhr. Okay, das fand ich komisch, aber ich dachte: »Super, da kann man den ganzen Tag betrunken im Garten rumhängen und abends noch ausgehen.« Aber Pustekuchen. Zum Glück bin ich nicht alleine in die Partyfalle getappt, sondern gemeinsam mit einer Freundin. Wir haben uns so richtig aufgehübscht und sind samt Sekt und Wein bei der vermeintlichen Fete eingetroffen. Natürlich etwas verspätet.
Als wir, nachdem uns die Haustüre geöffnet wurde, vom Wohnzimmer in den Garten marschierten, hätte mich fast der Schlag getroffen. Überall, aber wirklich überall im Garten lagen Decken mit Babys und Kindern jeden Alters. Dazwischen Mütter, die in einer Hand Spielsachen hielten und mit der anderen versuchten die Gesichter der Kinder von irgendwelchem Dreck zu befreien. Den Grill hab ich gar nicht erst gesehen. Der stand weit weg in der Garage. Ein Elektrogrill, damit keins der Kinder in Flammen aufging, vermute ich.
Selten kam ich mir so fehl am Platz vor, wie in diesem Moment. »Mensch, Kira und Eva! Ihr habt euch ja wohl gar nicht verändert, was?« rief die Gastgeberin überschwänglich, hievte sich noch ein Kind auf die Hüfte und kam uns entgegen. Sollte das ein stiller Vorwurf sein? »Das ist ja so schön, dass ihr gekommen seid. Jetzt habt ihr die erste Grillrunde verpasst. Wir hatten ja extra für 15h eingeladen, damit es für die Kiddies nicht zu spät wird. Wollt ihr vielleicht eine Limonade? Die hab ich selbst gemacht. Ist viel gesünder so und schmeckt tausendmal besser.«
Ich weiß nicht genau wie es weiterging. Das Wort Kiddies hallt in meinen Ohren, ich sehe vorwurfsvolle Blicke, schäme mich für den mitgebrachten Sekt und bin stolz, dass ich Eva gebeten hatte den Wein wenigstens in der Tasche zu verstauen. Ich fragte mich, wann ich das nächste Mal eine Zigarette rauchen konnte. Nun denn. Sich auf der Stelle umdrehen und abhauen war unmöglich. Jetzt hieß es, das Beste aus der Situation zu machen. Panisch suchte ich Blickkontakt zu Eva, die aber bereits selber auf eine der Decken gesunken war und in imaginärer Babysprache auf ein zahnloses Kleinkind einredete.
Jetzt muss ich allein durch den Rest. Ich würde mich einfach mit witzigem Smalltalk über Wasser halten. Aber statt witziger Gespräche steuerte irgendwie jede Unterhaltung Richtung Hebammenkurs, Babybjörn, Elternzeit und Familienplanung.
Und es endete meistens mit Aussagen wie: »Jaja, Kira! Bekomm du erst mal Kinder, dann weißt du wie das ist!« Oder: »Also ich hab keine Zeit mir die Nächte um die Ohren zu schlagen. Ich hab ja jetzt Familie!«
Ich war innerhalb eines Nachmittags eine Aussätzige geworden. Na super. Mir kam der Gedanke, dass schwanger werden möglicherweise ansteckend ist und sich dieser Virus einen Weg durch meinen Freundeskreis bahnt.
Ohje! Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch meine besten Freunde kein anderes Gesprächsthema mehr kennen oder – noch schlimmer – ich selber angesteckt werde. Seitdem werde ich immer ganz panisch, wenn höre: »Ist das nicht phantastisch? Bei der Sabine hat es endlich geklappt!«
Aber dann sage ich mir: »Ganz ruhig, Kira! Übertreib nicht. So muss es nicht laufen.« Hin und wieder werde ich nämlich daran erinnert, dass es im kleinen Kreis der Aussätzigen noch Gleichgesinnte gibt. Nämlich, wenn das Telefon klingelt und am anderen Ende höre ich ein verzweifeltes: »Kann das wahr sein?! Jetzt ist die Sabine auch noch schwanger! Bock, auf den Schock auszugehen? Wird Zeit, dass wir uns nochmal die Nächte um die Ohren schlagen.« \