Laufbahn

»Die schwarzen Scheiben waren echt strange«

Als Aurora Cano Soto zum ersten Mal eine Geige sah, wusste sie eigentlich schon: das wird nichts. Aber ihre Eltern gaben nicht nach. Da war sie acht. Heute, mit Mitte 20, spielt sie auf internationalen Konzerttouren – und hat im benachbarten Maastricht ihre Heimat gefunden. Im Interview erklärte die Spanierin, wie es so weit kam und was es mit ihr und schwarzen Scheiben auf sich hat.

INTERVIEW SIMON WIRTZ
BILD ANA NEDOBORA

Acht Jahre alt war Aurora. Da nahmen ihre Eltern sie zu einem Probetag an der Musikschule mit. Die große Hoffnung damals: Die Tochter soll ein Instrument lernen, später vielleicht große Karriere machen, mal mehr erreichen als ihre Eltern, die nie Zugang zu Musik und Kultur bekommen haben. Begeistert war sie damals nicht – im Gegenteil: Mit einer Geige konnte sie so rein gar nichts anfangen. Und sie fand schnell heraus, dass selbst viel üben nur wenig bringt, wenn man Geige lernt. »Mir war einfach gar nicht klar, wie viel Arbeit man investieren muss«, sagt sie heute.

»Vergiss es«

Ein sonniger Nachmittag in Maastricht, es ist warm. »Vom Wetter her ist es fast wie Zuhause«, freut sich Aurora und schlägt einen Tisch im Schatten vor. Ob sie das Wetter vermisse? »Ja, auf jeden Fall«. Aber sonst gefällt ihr die Wahlheimat Niederlande gut. Zum Masterstudium ist sie nach Amsterdam gezogen, hat dort Menschen aus aller Welt kennengelernt, Niederländisch gelernt. »Amsterdam war eine gute und lehrreiche Zeit, die mich echt geprägt hat. Wir haben geübt ohne Ende, Konzerte gegeben, Nächte durchmusiziert. Und es hat super viel Spaß gemacht. Auch, wenn ich manchmal schon von der Geige träumte«. Im letzten Jahr ging ihr Master dann zu Ende – ein Job musste her. »Über Freunde habe ich dann erfahren, dass die ›philharmonie zuidnederland‹ für ihr Orchester Violinisten sucht. Ich dachte: ›Du hast eh keine Chance, vergiss es‹. Aber mein Freund hat mir gut zugesprochen, und dann habe ich es versucht«, erinnert sich die Spanierin.

Schwarze Scheiben

Wochenlang bereitete sich Aurora vor, übte jeden Tag stundenlang. Dann ging es zum Vorspielen. »›Gib einfach dein Bestes‹, dachte ich mir. Ich war so nervös! Und nach langer Wartezeit wurde ich aufgerufen. Es ging in den Raum, wo alle vorspielen. Ein Flügel, ein Stuhl für mich, ganz schlicht eingerichtet. Ich setzte mich also hin, und sah eine große, schwarze Scheibe an. Blickdicht. Das war echt strange! Zeit, um mich daran zu gewöhnen hatte ich nicht. Ich sollte spielen, gut spielen, zwei Minuten dreißig, so viel Zeit hat jeder. Dann ging es wieder in den Wartebereich«. Wieder sollte Aurora mehrere Stunden warten. Am Abend dann die Erleichterung: »Jemand kam und meinte zu mir, ich wäre dabei! Ich war so glücklich. Teil eines Orchesters zu sein, und dazu eines so großen Orchesters, das ist einfach wunderbar«, freut sich die Violinistin.

»Man lebt die Musik«

Seit letztem Sommer ist sie jetzt ein fester Teil des Orchesters der »philharmonie zuidnederland«. Das bedeutet vor allem: proben, proben, proben. Denn der Dirigent verlangt absolute Hingabe, jeder schiefe Ton fällt sofort auf. »Ich probe jeden Tag, auch Zuhause. Wir bekommen regelmäßig neue Stücke, und die müssen sitzen. Ehrgeiz und völlige Hingabe sind gefragt, wenn man auf einem solch hohen Niveau spielen möchte. Man lebt die Musik, anders geht es nicht«. Für die nächsten Monate ist Aurora erstmal beschäftigt, auf Tournee mit dem Orchester. Dabei kommt sie auch in Aachen vorbei: Am 20. September spielt sie im Eurogress, auf dem Programm steht die zweite Symphonie Mahlers. Und auch im Frühjahr ist Aurora nochmal bei uns, nämlich am 25. April.