Dr. Angela Oels, Juniorprofessorin für Umweltpolitik an der Open Universiteit der Niederlande in Heerlen
INTERVIEW LILLITH BARTCZAK
FOTO UPMACHER
Was halten Sie von den -Protesten?
Ich finde die Proteste sehr inspirierend. Das Thema wurde viel zu lange ignoriert. Ich habe großen Respekt vor den jungen Demonstrierenden, vor allem wenn ich mitbekomme, dass auch Stimmung gegen sie gemacht wird.
Wie schätzen Sie die Fachkompetenz der jungen Leute ein?
Man braucht meiner Meinung nach keine besondere Fachkompetenz um zu erkennen, dass in der Klimapolitik, sowohl auf regionaler als auch auf nationaler und internationaler Ebene viel zu wenig gemacht wird. Außerdem glaube ich, dass aus dem Interesse an dem Thema mit der Zeit eine große Fachkompetenz erwachsen kann, denn die jungen Leute sind motiviert, sich zu informieren und aktiv dazuzulernen.
Waren Sie selbst in dem Alter schon politisch engagiert?
Ja, ich habe mich schon sehr früh für den Klima- und Umweltschutz eingesetzt. An meiner Schule habe ich die Umwelt-AG gegründet, außerdem war ich in der Jugendorganisation des BUND und dort auch im Landes- und im Bundesvorstand. 1995 durfte ich dann an der ersten UN-Klimakonferenz in Berlin teilnehmen und haben einen Gegengipfel für Jugendliche mitorganisiert.
Die Demonstrierenden fordern die Einhaltung des Pariser Abkommens. Ist das überhaupt realisierbar?
Um die katastrophalsten Folgen des Klimawandels, wie zum Beispiel immer häufiger auftretende extreme Wetterereignisse zu verhindern, müssten wir die Erderwärmung unter 2 Grad Celsius halten, viele sagen sogar unter 1,5 Grad Celsius. Wenn alles umgesetzt würde, was im Pariser Abkommen festgelegt ist, würde sich die Erde bis zum Jahr 2100 allerdings trotzdem durchschnittlich um 3 Grad Celsius erwärmen. Das heißt, das Pariser Abkommen müsste nicht nur eingehalten, sondern auch noch verschärft werden.
Was genau läuft in der deutschen Klimapolitik schief?
Das Umweltministerium kann sich gegen das Verkehrs-, Wirtschafts- und Landwirtschaftsministerium nicht durchsetzen. Doch ohne deren Mitwirkung kann Klimapolitik nicht gelingen. Insbesondere im Verkehrsbereich muss viel mehr fürs Klima getan werden. Daher versucht SPD-Umweltministerin Schulze mit einem Klimaschutzgesetz die CDU-geführten Ministerien auf verbindliche Klimaziele in deren Sektoren zu verpflichten. Das scheitert aber am Widerstand der CDU-geführten Ministerien.
Glauben Sie, dass die Schülerinnen und Schüler hier etwas bewegen können?
Ich glaube, die Schülerinnen und Schüler haben bereits viel bewegt. Sie haben Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt und das ist genau das, was es momentan braucht. Gerade bezüglich des Kohleausstiegs ist Druck von der Straße enorm wichtig.
Wie bewerten Sie den bisherigen Umgang mit den Protesten in den Medien und auch in der Politik?
Ich habe den Eindruck, dass versucht wird, die Demonstrierenden zu diskreditieren. Wer sich am lautesten darüber aufregt, dass die Demonstrierenden die Schulpflicht verletzen, der hat oft das größte Interesse daran, dass alles bleibt wie es ist. In der Wissenschaft solidarisiert man sich nun mit den Schülerinnen und Schülern. In Deutschland haben mehr als 700 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aller Disziplinen den »Klimastreik Solibrief der Wissenschaft« unterzeichnet, um zu zeigen, dass die Forderungen auch aus wissenschaftlicher Sicht berechtigt sind. \