Matthias Kohn (34) hat Bock auf Stein. Die Arbeiten des Aachener Steinbildhauers und Designers sind in Paris und New York zu sehen. Wie ihn sein Weg vom Auszubildenden in Schwelm über die Akademie für Handwerksdesign Gut Rosenberg in Aachen und einen gelben Postbus hin zu einem guten Leben führte.
TEXT CHRISTINA RINKENS
FOTOS UPMACHER + MATTHIAS KOHN
Ein Anruf aus Belgien. Vor dem Interview muss Matthias noch kurz mit der Firma sprechen, zu der heute morgen ein Stein für ein neues Projekt geliefert wurde. 2,50 Meter mal 1,50 Meter. Drei Tonnen schwer. Ausgesucht hat Matthias den Stein in einem Steinbruch in der Eifel. Jetzt ist er also von einer Spedition nach Belgien geliefert worden. Dort werden die ersten, gröberen Arbeitsschritte durchgeführt. Mit besonderen Maschinen und -Sägen. Danach kommt der Stein erst in -Matthias’ Atelier an der Vaalser Straße in Aachen, um von ihm weiter bearbeitet zu werden. Und dann? Dann kommt er als Feuerstelle nach New York. Genauer in die Hamptons auf Long Island. »Dafür steht nachher noch eine Telefonkonferenz mit dem Techniker und dem Pariser Architekten an.«
Denn die Feuerstelle mit Gas-Brenner muss dem US-amerikanischen Standard entsprechen. Was kann, muss und soll. Matthias hingegen ist eines persönlich wichtiger: »Ich habe einen hohen skulpturalen Anspruch an meine Arbeiten, sie sollen pur sein und so wenig technisch wie möglich.« Um das miteinander überein zu bringen, muss also noch -einiges geschehen, bis das fertiggestellte Objekt dann im März oder April verfrachtet werden kann.
Paris, New York, Aachen
Kunde von Matthias ist nicht der Amerikaner, der gerade sein luxuriöses neues Heim entstehen lässt, sondern ein Innenarchitekturbüro aus Paris, das inzwischen auch in New York tätig ist. Seit 2013 arbeitet Matthias mit dem renommierten Büro zusammen. Entstanden ist die Verbindung damals über einen Kommilitonen von Matthias aus Aachener Studienzeiten. Dieser arbeitete bereits mit den Architekten zusammen und wurde nach jemandem gefragt, der es versteht, auf besondere Art mit Stein umzugehen. Die Anfrage aus Paris kam – und Matthias, vorher ein unbeschriebenes Blatt im Bereich des Möbeldesigns, entwarf seinen ersten Couchtisch. Inzwischen ein gefragtes Modell. Und eines mit Renommee: Eben jenes Architekturbüro hat den Tisch bereits bei einer Ausstellung im Musée des Arts décoratifs, ein Teil des Louvre in Paris, gezeigt.
»Alles Kontaktsache«, sagt Matthias schlicht. Und so ziehen weiterhin die von Matthias entworfenen Möbel in die Welt hinaus. Auf Dachterrassen mit Blick auf den Central Park, in Luxus-Apartments am Eiffelturm oder eben in Villen in den Hamptons.
Matthias’ Ziel sei es nie gewesen, eine eigene große Werkstatt aufzubauen. »Ich will entwerfen, zeichnen, präsentieren, spinnen, träumen.« Ohne Verantwortung für viele Mitarbeiter. Dafür mit einem großen Kontaktnetzwerk für Arbeiten, die er nicht selbst machen kann oder möchte. »So habe ich weniger Verantwortung, kann auf meine Intuition hören, und auf meine Bedürfnisse.«
Die Anfänge
Die Schule war nie wirklich Matthias’ Ding. Er hatte Bock, etwas Praktisches zu machen. In den Herbst-ferien in der neunten Klasse, ein Jahr vor seinem Realschulabschluss, wollte er als 16-Jähriger also ein freiwilliges Praktikum in einem Handwerksbetrieb machen. Zuerst sollte es in eine Tischlerei gehen, aber: »Eigentlich lernt man dort Maschinen zu bedienen, die das Material bearbeiten, ich wollte händisch und direkt am Material arbeiten.« Eine Steinbildhauerei in seiner Heimatstadt Schwelm bot ihm dazu die Möglichkeit. Der Chef gab ihm einen Stein. Dazu Hammer und Meißel. Zwei Wochen lang bearbeitete Matthias daraufhin seinen ersten Stein. »Ich -habe -direkt am Anfang gemerkt, dass das genau mein Ding ist.«
Das Angebot, im Betrieb eine Ausbildung zu absolvieren, nahm er also an. »Mein Ausbildungsbetrieb gab mir die Möglichkeit, das Handwerk von Grund auf zu erlernen und die Freiheit, viele Dinge auszuprobieren.« Nach der Ausbildung blieb er ein weiteres Jahr als fester Angestellter, aber Matthias wollte weiter. Abgeschlossen hat er die Ausbildung mit dem besten Prüfungsergebnis seines Fachs in seinem Jahrgang in NRW, danach holte er den Titel auch auf Bundesebene. Das ermöglichte ihm ein Stipendium.
So wurde er auch von der Aachener Akademie für Handwerksdesign Gut Rosenberg angeschrieben. 2006 begann er hier sein Studium, brach dafür alle Zelte in Schwelm ab. An die Atmosphäre auf dem alten Gutshof im Aachener Norden musste er sich erst gewöhnen. Neue Türen öffneten, Horizonte erweiterten sich. »Die Beschäftigung mit den Themen ist dort sehr intensiv. Das hat am Anfang meine Vorstellungskraft überschritten. Vieles habe ich erst später verstanden.«
In der Akademie werde den Studierenden Raum gegeben, um sich zu entfalten und auszuprobieren. Für ihn sei deshalb die Studienzeit genau richtig gewesen. Vorteile sieht er auch gegenüber reinen Designstudenten. Vom Handwerk kommend, wisse man, wie man mit dem Material umgehen kann.
Nach dem Abschluss begann Matthias’ Selbstständigkeit. Zuerst arbeitete er als Freiberufler in verschiedenen Ateliers. Das erste Projekt war ein persönliches Grabmal für eine jung verstorbene Bekannte in Chemnitz. Weitere Stationen waren Dresden, Berlin, Paris. Nicht immer, um zu arbeiten. In Paris baute er einen großen gelben Postbus um, mit dem er künftig unterwegs war. »Das war meine Experimentierphase.«
Unterwegs auf dem Traumschiff
Nach der Experimentierphase zog es ihn zurück nach Aachen. Eigene Wohnung, eigenes Atelier. Seinen Bus hat er Anfang 2018 auch verkauft. Eingeschränkter Freiheitsdrang? Früher hätte er immerhin innerhalb von drei Tagen alles hinter sich lassen können. »Kündigungsfristen sind ja auch nur drei Monate.«
Seine Auftragsarbeiten führt er natürlich gewissenhaft aus. »Ich würde mich nie verkaufen, aber ich mache diese Dinge auch, um die wirklich freien Projekte machen zu können. So erarbeite ich mir Geld und vor allem Zeit.« Inzwischen habe er auch die nötige Ruhe und Ordnung, um sich richtig konzentrieren zu können. Zum Beispiel auf den kürzlich gewonnenen Ersten Preis für ein Denkmal im öffentlichen Raum in Hanau. »Das ist für mich Luxus. Mich intensiv mit Dingen auseinander zu setzen, speziell künstlerisch und skulptural anspruchsvoll.« Seine freien Arbeiten stellt er auch aus. »Das Jahr 2019 ist schon jetzt gut gefüllt – mit Projekten, Wettbewerben und auch Aufträgen.«
Matthias hat immer von dem gelebt, was er selbst verdient hat. Und dabei ist er seinen eigenen Ansprüchen und Bedürfnissen stets treu geblieben. Sein Credo: »Wenn man sich Mühe gibt, hat man auch Glück. Man muss auch investieren, vor allem aber einfach machen. Mit Enthusiasmus, Ehrlichkeit und Bock. Und mit den richtigen Personen und Unterstützern an seiner Seite. Dann funktioniert es auch. Was auch immer man will.« \
Matthias’ Arbeiten sind ab dem 1. März im Rahmen einer Ausstellung von Krug & Ofen in der Galerie Freitag 18.30 zu sehen.