Mit Mitte 20 in den beruflichen Zirkus der Eltern einsteigen? Das muss man wollen, sagt gina Vogeler. Sie steht für die dritte Generation ihrer Familie bei der Aachener Traditionsmarke Plum‘s Kaffee. Andere zieht es nach dem Abitur weg aus dem heimischen Dunstkreis. Gina entschied sich zum Bleiben.
TEXT + FOTO ALEXANDER BARTH
Am Anfang der Geschichte steht eine Kindheitserinnerung. »Für mich war das Haus wie ein Abenteuerspielplatz«, sagt Gina Vogeler über den Firmensitz von Deutschlands ältester Kaffee-rösterei im Hammerweg in Aachen. »Meine Schwester und ich haben hier ständig gespielt, sind auf Kaffeesäcken herumgeklettert oder haben uns im Lager versteckt.« Das für viele unverzichtbare Heißgetränk bedeutet für die Familie der 27-Jährigen auch Tradition. Seit mehr als fünf Jahrzehnten – und in Person von Gina Vogeler mittlerweile in der dritten Generation – ist sie im Kaffeegeschäft, seit 1983 ist die Aachener Traditionsmarke komplett in Familienhand. Opa Jürgen sei Dank. Für dessen Enkelin war eine Fortsetzung der Vogeler-Dynastie lange kein Thema. Und irgendwie doch immer.
»Ich bin mit dem Kaffeegeschäft aufgewachsen, aber ein kompletter Einstieg in den Betrieb meiner Familie kam für mich erst einmal überhaupt nicht infrage«, sagt Gina Vogeler über die Zeit nach dem Abitur und der damit verbundenen Orientierungsphase. Ein Studium sollte es also nach einem halben Jahr -Au-pair-Arbeit in Australien sein. Zu dieser Zeit hatte sie bereits -etliche Jahre als Aushilfe im elterlichen Betrieb mitgearbeitet, »aber eben immer nur im überschaubaren Rahmen«. Studieren am besten in der Nähe, warum also nicht gleich in Aachen, dachte sie sich: »Viele meiner Freunde sind nach dem Abi weggezogen. Aber für mich war klar, dass ich in der Region bleiben will.« So begann sie ein BWL-Studium, mit dem sie allerdings nach einem guten Jahr nicht besonders glücklich war. Just zu dieser Zeit taten sich bei Plum’s Kaffee personelle Engpässe auf.
Gina Vogeler stellte sich einer Entscheidung, die sie womöglich auch hätte umgehen können. »Meine Eltern haben keinen Druck gemacht. Ich habe für mich selbst beschlossen, dass die Zeit reif ist«, sagt sie. Reif für den Einstieg in ein Geschäft, das Aachener Café–Besuchern, Firmenkunden sowie einer treuen Käuferschaft im Ladenlokal am Hof koffeinhaltige Freuden beschert. Eine Ausbildung zur Indus-triekauffrau sollte es sein, wegen besagter Engpässe dann auch gleich im Familiengeschäft. Aus der Aushilfe wurde eine Angestellte, aus der Teilzeit- eine Vollzeitbeschäftigung, elterliche Wiederanbindung inklusive. »Ich -sehe meinen Vater jeden Tag, auch meine Mutter und mein Großvater sind immer wieder da«, sagt Vogeler. »Sonst ist es ja eher so, dass man sich nach der Schulzeit vom Elternhaus entfernt.« Sie habe sich eben anders entschieden, und das ganz bewusst. Das müsse man schon wollen, ergänzt sie mit einem -Augenzwinkern. »Aber ich habe die Entscheidung zu keiner Zeit bereut.«
MEHR PRÄSENZ, MEHR -VERANTWORTUNG
Das seien die spürbaren Eckpunkte, seit sie voll im Familienunternehmen engagiert ist. »Aus der Vergangenheit wusste ich schon, dass es keine abgetrennten Geschäftsbereiche gibt«, sagt Gina Vogeler über ihre Arbeitswirklichkeit. »Ich mache hier alles, von der Bestellungsabwicklung über die Produktauswahl und das Marketing bis zur Kundenberatung.« Allein die tägliche Röstung, durch die aus ungenießbaren Rohkaffeebohnen überhaupt erst das aromatische Genussmittel wird, liegt in der Verantwortung eines hauseigenen Experten – übrigens ein ehemaliger Schreiner. Ein besonderer Faktor für einen gelungenen Einstieg waren für die 27-Jährige auch ihre Kollegen, die zum Teil schon mit der frühen Gina des Spielplatzalters vertraut waren. »Da kommen immer mal wieder Anekdoten hoch«, sagt Vogeler und lächelt erneut. Vor allem aber hätten sie ihr von Anfang an ein gutes Gefühl gegeben.
Kaffee mit der Familie, das erlebt sie in täglichen Begegnungen, und garantiert anders, als es die meisten kennen dürften. Den unsichtbaren Generationenvertrag hat Gina Vogeler eigentlich schon unterschrieben. »Ich kann mir nichts anderes vorstellen, und das fühlt sich gut an«, sagt sie knapp. Zum guten Gefühl gehört die Aussicht, eines Tages die Geschicke im Hause Plum’s Kaffee komplett zu übernehmen. Um einen guten Kaffee bei der Arbeit müsste sie jedenfalls zu keiner Zeit fürchten. Der wird schließlich direkt vor ihren Augen ge-röstet. \