Mit dem Projekt »Querbeet« will die Suchthilfe Aachen Obdachlose zurück in die gesellschaftliche Mitte bringen. Mittels Patenschaftsübernahme für Beete. Troddwar-Streetworker Laurids Elsing erklärt, wieso bunte Beete nicht nur hübsch aussehen, sondern auch sozial wirken können.
INTERVIEW CHRISTINA RINKENS
FOTOS TRODDWAR + CHRISTINA RINKENS
Wie ist »Querbeet« entstanden?
Tatsächlich hat sich das Projekt aus einer Idee unserer Klienten – so nennen wir die Personen, mit denen wir hier arbeiten – selbst entwickelt. Bei Treffen in unserem Kontakcafé Troddwar am Kaiserplatz kam zur Sprache, dass die Beete am Kaiserplatz so ungepflegt sind. Mittlerweile pflegen und bepflanzen wir nicht nur die großen Beete, sondern noch viele weitere in der Stadt. Viele davon im Frankenberger Viertel, einige aber auch direkt in der Innenstadt.
Was macht das Projekt aus?
»Querbeet« ist eine Möglichkeit, unsere Klienten langsam und behutsam zurück in die Gesellschaft zu führen. Dazu zählt eben auch, arbeiten zu gehen und eine Aufgabe zu haben. Die Zugangsvoraussetzungen für die Teilnehmer sind extra niedrig gehalten um einen möglichst schnellen und umkomplizierten Start für die Mitarbeit zu ermöglichen. Viele unserer Besucher sind seit Jahren mit »normalen« Tagesmustern nicht mehr vertraut und schätzen die von »Querbeet« gegebene Struktur. Man kann, man muss aber nicht regelmäßig mitarbeiten. Das Angebot ist eine motivierende Vorstufe vor den sogenannten 1-Euro-Jobs der Arbeitsagentur, mit denen die Personen wieder zurück ins Arbeitsleben geführt werden können.
Und wie funktioniert die Mitarbeit?
Interessierte Klienten melden sich bei uns und helfen dann für ein paar Stunden bei der anfallenden Arbeit an diesem Tag. Neben einem Gärtner, der uns unterstützt, bin auch meistens ich als Streetworker dabei, mehr Leute sind personell von uns nicht einsetzbar für das Projekt. Manchmal stehen Klienten sogar schon morgens hier, weil sie unbedingt dabei sein wollen.
Die Patenschaft für die Beete übernimmt Troddwar von der Stadt Aachen?
Richtig. Wir übernehmen die Patenschaft und kümmern uns um die regelmäßige Neubepflanzung sowie die dauerhafte Pflege der Beete. Dafür suchen wir wiederum Paten – das können anliegende Geschäfte oder Privatpersonen sein. Das Projekt wird komplett durch Spenden refinanziert, anders wäre das für uns nicht machbar. Aktuell sind wir auch mit ein paar größeren Unternehmen im Gespräch, die Patenschaften für gleich mehrere Beete übernehmen könnten.
Ist durch das Projekt schon ein Klient zum Gärtner geworden?
Das nicht. Aber einige konnten über diese Maßnahme weitervermittelt werden und üben inzwischen die bereits genannten 1-Euro-Jobs aus. Für mich ist aber auch der Aspekt von Resozialisierung im Kontakt mit anderen Menschen wichtiger.
Das bedeutet?
Viele unserer Klienten – besonders hier am Kaiserplatz – sind es gewohnt, dass sie »übersehen« werden. Das kennt man vielleicht von sich selber, man guckt, dass man schnell an den Personen vorbeikommt, meidet Augenkontakt und sowieso jedes Gespräch. Das merken unsere Klienten natürlich auch. Wenn sie aber in ihren gelben Westen mit uns unterwegs zu den Beeten oder gerade dabei sind, bunte Pflanzen einzusetzen, kommt es nicht selten vor, dass Passanten stehen bleiben und sie für ihre Tätigkeiten loben. Das gibt unseren Klienten sehr viel. Und deshalb kann »Querbeet« eine Möglichkeit für sie darstellen, zurück in die Mitte der Gesellschaft zu finden. Nicht mehr übersehen zu werden und Anerkennung von Mitmenschen zu erfahren. Und das ist großartig. \