Camp Hitfeld im Aachener Süden. Auf dem ehemaligen Militärgelände haben sich zahlreiche Streetart-Künstler ausgetobt. Die Zukunft der Werke und die des gesamten Biotops insgesamt ist jedoch ungewiss. Dabei könnte diese potentiell auch die Stadt Aachen voranbringen.
TEXT + FOTOS MANFRED KISTERMANN
Eigentlich ist das Gelände verbotenes Gebiet: privat. Dennoch verschaffen sich immer wieder Personen Zugang. Und viele von ihnen hinterlassen ihre Spuren und Botschaften. So mutet die Schrift auf dem Boden einer vergammelten Lagerhalle wie ein Hilferuf an: »Save us – rette uns«, so steht es zu lesen. Der Satz verbirgt sich hinter hohen Zäunen, die aber nicht unüberwindbar sind. Vor allem nicht für viele Streetart-Künstler. Hier auf dem Gelände des Camp Hitfelds sind ihre Werke eines gewiss: würdig des Begriffs Kunst.
Das Gelände befindet sich vor den Toren der Stadt. Das ehemalige belgische Militärlager Camp Hitfeld ist ein verlassener Ort: Ein »Lost Place«. 1992 haben die belgischen Soldaten das Camp verlassen und einiges zurückgelassen. Mittlerweile sind viele Gebäude zerstört, verfallen und verwildert, aber einige wurden zur Heimstätte von Graffiti.
Die Zukunft des 43 Hektar großen Geländes ist ungewiss – ebenso der Verbleib der vielen Werke der Streetart-Künstler. Noch gibt es einen Rechtsstreit um die Eigentumsverhältnisse. Der Aachener Investor Norbert Hermanns von der Landmarken AG hat das Gelände vor einigen Jahren von der zuständigen Bundesverwaltung gekauft, die Stadt Aachen aber möchte den Kauf anfechten und selber dort bauen – möglicherweise ein Gewerbegebiet. Unklar ist, was zukünftig mit den vielen Kunstwerken geschehen soll.
Gemeinsamer Nenner
Lars Kesseler ist ein bekannter Streetart-Künstler in Aachen. Die Stadtwerke Aachen, aber auch Privatleute haben von ihm schon Gebäude verschönern lassen. Er ist ein angesagter Künstler, Designer und Dozent für Kunst. Wenn er heute auf seine Anfangszeit vor 30 Jahren als Graffiti-Künstler zurückblickt, fällt es ihm leicht zu erklären, was ihn zum Sprühen angetrieben hat: »Wir suchten Grenzerfahrung, wollten diese ausloten – pure Abenteuerlust«, sagt er jetzt über seine Motivation von damals.
Heute sei es für viele junge Menschen reizvoll, einfach dazu zu gehören. Mittlerweile sind für Kesseler nicht mehr nur Steinwände sein Ziel, sondern Leinwände. Seine riesigen Bilder werden in Galerien gezeigt und gehandelt.
Lake 13, so der »Tag-Name« von Lars Kesseler, hat sich in Camp Hitfeld nicht verewigt, viele Werke aber angeschaut. Für ihn ist das Gelände mit den unzähligen Bildern so etwas wie eine »Hall of Fame«. So werden in der Szene Plätze oder Wandflächen bezeichnet, an denen sich insbesondere erfahrene Sprayer (sogenannte Kings) treffen und hochwertige und anspruchsvolle Graffiti hinterlassen.
In Hitfeld sind auch einige Euregio-Künstler tätig geworden. Wer sich unerlaubter Weise den Gebäuden nähert, trifft fast immer auf junge Menschen, die sich dort künstlerisch betätigen – allerdings ohne Erlaubnis. Dabei ist der Aufenthalt auf dem verfallenen Gelände nicht ungefährlich. Überall lauern Stolperfallen, können Dächer einstürzen oder sich Erdlöcher auftun.
Lars Kesseler würde es begrüßen, wenn einige der Hitfeld-Graffiti erhalten werden könnten. Er fände eine Kombination von Wall-Art und neuen Gebäuden eines Gewerbegebietes für eine schöne Symbiose. »Bunte Werke sind schöner als nackter Beton«, betont er. In den Niederlanden gebe es genügend Beispiele wie man die Bilder als Dekoration integrieren könnte.
Auch Investor Norbert Hermanns kann sich mit den Gedanken von Lars Kesseler anfreunden. Für ihn erinnert das Gelände an die »798 Art Zone« in Peking. In der ehemaligen Militärfabrik am Rande von Chinas Hauptstadt entstand nach deren Schließung zunächst ein kreativer Freiraum für freie Geister, ein Treffpunkt für jene, die anders dachten und ihren Gedanken Gestalt gaben.
Es entwickelte sich eine Kulturszene mit zum Teil weltberühmten Künstlern wie Ai Wei Wei, die hier wohnen und arbeiten. Und kulturbegeisterte Menschen und Millionen Touristen anziehen. Galerien, Eventlocations, und Restaurants, vor allem aber bedeutende Unternehmen, fühlen sich in diesem Umfeld wohl, das zu den beliebtesten und anspruchsvollsten Destinationen Pekings avancierte.
Norbert Hermanns meint ergänzend dazu: »Sicher ein schönes und wertvolles Ziel. Nicht nur für Hitfeld, sondern auch für die Zukunft unserer Stadt.« \