Laufbahn

Designprojekt „The Wandering Hole“: Tiefgreifend

Für ihr investigatives Designprojekt »The Wandering Hole« hat sich Hannah Hiecke intensiv mit dem Tagebau »Garzweiler II« beschäftigt, mit RWE gesprochen und ein Dorf bei der Umsiedlung begleitet. Klenkes neo -erklärt sie ihre besondere Vision von Design.

TEXT ANJA NOLTE
FOTOS ANJA NOLTE UND HANNAH HIECKE

Mit einer Geschwindigkeit von einem halben Meter pro Tag gräbt sich »Garzweiler II« durch die Landschaft zwischen Erkelenz, Jüchen und Grevenbroich. Ein wanderndes, menschengemachtes Loch, das sich noch bis 2045 seinen Weg bahnen kann – und dabei auch ganze Dörfer zur Umsiedlung zwingt. »Über Heimat kann man erst schreiben, wenn sie nicht mehr da ist«, zitiert Hannah Hiecke aus ihrer Masterarbeit, die sie 2015 an der Design Academy Eindhoven abgelegt hat. Monatelang hat sie sich mit dem Braunkohletagebau beschäftigt: mit der Frage, was das eigentlich bedeutet, dass so ein Loch durch die Landschaft »wandert«.

Entstanden ist ein vielfältiges Werk, eine Kombination aus Recherche und Design. Hiecke nennt ihre Arbeit »investigatives Designprojekt«: eine investigative, tiefgreifende Analyse mit gestalterischem Hintergrund. »Design muss nicht immer laut sein«, sagt sie. »Es kann eine Hilfe sein, ein Werkzeug, um Zusammenhänge zu verdeutlichen.« Bei »The Wandering Hole« gibt es gleich mehrere Ansätze, die die Bewegung des Lochs und den Veränderungsprozess in der Landschaft visualisieren: zum Beispiel einen Wanderatlas, der anhand von Karten und Bildmaterial das »Vorher« und »Nachher« im Abbaugebiet zeigt. Oder: ein Objekt mit 90 durchsichtigen Scheiben, in denen jahrweise – von 1955 bis 2045 – die jeweilige Position und das Ausmaß des Lochs ausgeschnitten sind. Aufeinandergestapelt ergibt sich ein ungewöhnlich starkes Bild, das die Bewegung des »Wandering Hole« zeigt.

Komplex und konzeptionell
Hiecke verfolgt damit ein Ziel: eine Basis zu schaffen für eine konstruktive Diskussion. »Garzweiler II kann nicht plötzlich gestoppt werden«, sagt die Designerin. »Eine sukzessive Umstrukturierung sollte jedoch möglich sein.« Um alle Interessengruppen zu würdigen, hat sie nicht nur mit Aktivisten, sondern auch mit der RWE Power AG gesprochen, diverse Archive aufgesucht und das Dorf Borschemich bei der Umsiedlung begleitet – einer der insgesamt 15 Orte, die dem Tagebau bereits weichen mussten.

Komplexe Sachverhalte verständlicher zu machen und für den Betrachter Transparenz zu schaffen – Hiecke denkt dabei nicht nur an das große Thema Tagebau, sondern an sämtliche Themen der Gesellschaft. Um den Fokus auf freie Projekte zu richten, hat sie ihre Festanstellung in Köln gekündigt und ist als selbstständige Designerin nach Aachen zurückgekehrt. »Ich wollte nicht mehr projektweise in ein festes Corporate Design gesetzt werden, sondern wieder verstärkt konzeptionell arbeiten«, erklärt sie. »Ich freue mich auf Projekte, die mich wirklich bewegen.« \

thewanderinghole.com
hannahhiecke.de