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neo-Szene: Ladengründer

Leerstand in der Innenstadt, nur noch die großen Ketten können sich halten. Das wird oft gesagt. Und doch, wenn man genauer hinsieht, stimmt das so nicht: In Aachen gibt es zahlreiche junge ­Menschen, die mit pfiffigen Geschäftsideen Leben in Aachens Einkaufs- und ­Ausgehszene bringen. Wir haben ein paar von ihnen besucht, sie nach ihren Geschichten gefragt und erfahren, was sie jungen Existenzgründern raten würden.

ZUSAMMENGESTELLT VON VERENA BODENSTEIN, ANJA NOLTE und TINA RINKENS
FOTOS LUTZ ADORF UND UPMACHER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Heike Tilke, Concept Store »Little Something«

 

»Ich bin eine echte Öcherin: Nach Stationen in Hamburg und München bin ich wieder in Aachen gelandet. Mit ­meinem Mann und unserem zweijährigen Sohn lebe ich im Frankenberger Viertel, im April habe ich dort meinen Laden mit Ausgewähltem für Kinder und Erwachsene eröffnet. Als Architektin liebe ich einfach schöne ­Dinge und besonderes Design. Ein normaler Bürojob ist auf Dauer nicht das Richtige für mich – ich kann einfach nicht lange stillsitzen. Nachdem ich das passende Ladenlokal gefunden hatte, ging alles ganz schnell. Die Vorbereitung hat vier Monate gedauert, das Handwerkszeug habe ich mir angelesen und ich wähle Produkte aus, die ich auch selbst kaufen würde. Der ­erste Monat lief viel besser als erwartet, daher bin ich zuversichtlich, dass ich das mit dem Laden wuppen werde. Das Timing ist nämlich nicht ganz so ideal – ich bin schwanger.«

Haßlerstraße 8
» littlesomething.de


 

 

 

 

Cara Stuhlweißenburg, »Cafe Hase«

 

»Mit dem Businessplan habe ich einfach mal so angefangen, ohne zu wissen, ob ich das jetzt nur für mich mache oder ob das wirklich was werden könnte. Spontan beim AC2-Gründerwettbewerb eingereicht, bin ich dann unter die besten gekommen und habe das erste Mal gedacht, dass das vielleicht doch keine Schnaps­idee ist, dass das vielleicht doch was werden könnte. Dann habe ich das Ladenlokal gefunden – ganz klassisch über eine Zeitungsanzeige –, in Eigenregie mit der Hilfe von Familie und Freunden umgebaut und plötzlich war ich Café-Besitzerin. Natürlich stand ich auch manchmal wie ein Ochs vorm Berg und wusste nicht, wie das alles laufen soll. Für mich waren die größten Herausforderungen das plötzliche Chefsein von einem Team – und das selbst erst mit Mitte 20 – und der Umgang mit Kritik. Dabei kommen eigentlich nur nette Kunden zu uns, aber als der erste Salat zurückging, musste ich schon schlucken. Ich bin unfassbar dankbar für die Wertschätzung von allen Seiten. Ich war und bin einfach bereit, mein ganzes Herzblut in das Café zu stecken. Das, Struktur und Ehrgeiz und die Bereitschaft, anderes zurückzustellen, ist wichtig. Man ist halt selbst und ständig gefragt und muss bereit sein, alles zu geben.«

Triebelsstraße 21
» cafe-hase.de


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Carolin Meisel,
Pilates-Studio
»Mein Pilates«

 

Wie bist du überhaupt auf Pilates gekommen?
»Ich habe erst eine Ausbildung zur Logopädin gemacht, weil ich unbedingt was mit Menschen machen wollte. Ich habe auch in dem Beruf gearbeitet, aber irgendwann gemerkt, dass mir irgendetwas fehlt. So habe ich dann angefangen, abends Pilates-Kurse zu besuchen und später auch selbst zu ­unterrichten. Pilates ist einfach ­genau mein Ding.«

Hast du die eigene Studioeröffnung lange geplant?
»Nein, das ging alles sehr schnell. Ich hatte gerade ein Gründerseminar besucht und im Schwedenurlaub meinen Businessplan geschrieben, da erzählte mir eine Freundin, dass ein Raum frei ist. Und schon habe ich mein erstes Studio in der Jakobstraße eröffnet. Das war am 11.11.2011. Seit 2013 habe ich jetzt mein Studio im Frankenberger Viertel.«

Was würdest du jungen Gründern raten?
»Dass man einfach was finden muss, was man wirklich richtig gerne macht und das einem auch einfach liegt. Dass man für das, was man da plant, auch wirklich brennt. Dann ist man selbst die beste Werbung fürs eigene Produkt.«

Lothringerstraße 106
» meinpilates-aachen.de


 

Ricardo Lambertz (Mitte),
Café/Catering
»Vierundneunziggrad«

Stanislav Avezov (rechts),
klassischer Herrensalon
»Baderknechte«

 

»Die ­Leute sollen sich trauen, den Aachenern was ­Neues zu ­zeigen. Wenn jemand eine tolle Idee hat, sollte er sich nicht davor scheuen, sie auch umzusetzen. Das ist wichtig, auch gerade hier in Aachen. Ein ­Aachener ist schwer zu überzeugen, gerade am Anfang kann das eine Herausforderung sein. Man muss am Ball bleiben und wenn man das geschafft hat, dann läuft’s.«

Hirschgraben 7
» vierundneunziggrad.de
» baderknechte.de


 

 

 

 

 

Danyel Kocar,
»Gleis 8 Store«

 

Wann hast du entschieden, einen eigenen Laden ­aufzumachen?
»Während meines Studiums habe ich in einem Graffiti-Laden gejobbt, der einem Freund gehörte. Als er mit seinem Laden nach Essen gegangen ist, habe ich in der ­Franzstraße ein eigenes Geschäft eröffnet. Das Studium – ich habe Bauingenieurwesen studiert – habe ich ein Jahr später an den Nagel gehängt.«

Weil Gleis 8 so gut lief?
»Weil es nichts Schöneres gibt, als das zu machen, was man liebt. Allein vom Laden zu leben, wäre schwierig, aber mit dem Gesamtpaket geht’s. Ich gebe Workshops und mache Auftragsarbeiten.«

Deinen Store gibt es schon seit 2013. Gab es Momente, in denen du ­aufgeben wolltest?
»Das Schwierigste ist ­tatsächlich, am Ball zu bleiben. Aufgeben wollte ich aber nie. Seit einem halben Jahr gibt es uns an der ­Theaterstraße in einem größeren Laden.«

Theaterstraße 83
» gleis8store.com


 

 

 

 

Roman Petersen (rechts),
»Die Bar Cantona«

 

»Auf dem Foto sieht man einen Teil unseres Teams. Insgesamt sind wir inzwischen 18 Personen, inklusive meiner Mutter. Mein Kriterium bei der Auswahl: Ich muss mit den Leuten selbst auch ein Bier trinken ­gehen können. Mit der Bar Cantona habe ich mir keinen lang gehegten Männer-Traum erfüllt. Ich bin in meinem Beruf als Event-Manager einfach irgendwann an einen Punkt gekommen, an dem mir klar wurde, dass das nicht das sein kann, was ich machen werde bis ich Mitte 60 bin. Und als Aachener fand ich es schon immer schwer, nette Lokale zum Ausgehen zu finden. In einer anderen Stadt hätte ich vermutlich keine Bar eröffnet, aber ich wusste, dass das in Aachen­ ­funktionieren kann.«

Bismarckstraße 47
» diebarcantona.de


 

Sarah Bien (links), Brautmodengeschäft »White Concepts«

Kristina Höfler (rechts),
»Wedding Design«

 

 

»Es passiert so schnell, dass du den Überblick verlierst – ­finanziell gesehen. Also Geld ausgeben, ist ja immer leicht. Das Geld zu halten oder den Überblick zu behalten, ist super schwer. Das ist auch wirklich was, das einem langanhaltend – bis heute – immer wieder schlaflose Nächte bereiten kann. Es ist wichtig, dass man sich Personen sucht, die einem ­helfen und das richtig gut können. Ein Steuerberater zum Beispiel, der einem auch mal auf die Finger haut, wenn man Unterlagen vergessen hat einzureichen oder ­einem bei ­Investitionen und Planungen berät.«

Neupforte 11
» white-concepts.de
» kristinahoefler.de


 

 

Nadine Röver-Eilmes
und Kim Kaschke,
Friseursalon
»Haarschneider und Räuber«

 

»Als Paar einen Betrieb zu eröffnen, ist riskant, aber wenn man wie wir dieselbe Leidenschaft so sehr teilt, das Beste, was man machen kann. Man sollte sich als Jungunternehmer bewusst sein, dass ein starker Rückhalt alles bedeutet.«

Bismarckstraße 1
» haarschneider-raeuber.de