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Ein Bier mit … Pia Schneider

Mitmach-Kirche Jugendliche gehen hier ein und aus, immer wieder werfen ­neugierige ­Passanten einen Blick in die umgestaltete »Junge Kirche« an der ­Herzogstraße. JuKi-Leiterin Pia Schneider erzählt uns, was diesen Ort ­besonders macht, ­warum es hier unsagbar guten Kaffee gibt und wie ­Kirche heute sein muss, um im ­Alltag anzukommen.

INTERVIEW + FOTOS ANJA NOLTE

Im Oktober 2016 wurde in der Dreifaltigkeitskirche die »JuKi« der evangelischen Kirchengemeinde eröffnet. Ein beson­derer Ort für gläubige Jugendliche?
Wir sind hier, um allen Jugendlichen einen Ort zu geben, an dem sie ankommen können, an dem sie sich wohlfühlen und sich ausprobieren können. Und das gelingt. Es gibt einige, die sagen, mit Kirche und Glauben hätten sie nichts am Hut. Aber sie kommen trotzdem täglich her und gestalten mit. Das finde ich großartig. Wenn die Jugendlichen feststellen, da ist jemand, mit dem man reden kann, dann kommen irgendwann auch die Fragen: Pia, du glaubst doch nicht an die Bibel? Und: Gott ist doch ein Placebo, oder? Wir fördern den Austausch, ohne zu missionieren. Ich bin nicht hier, um jedem einzubläuen, Jesus liebt dich.

Euer Motto lautet: Kirche ist, was du draus machst. Wie können sich die ­Jugendlichen einbringen?
In der JuKi wird gelebt – das heißt, wir arbeiten, lernen, spielen, kochen, essen und beten zusammen. Die »JuKi« ist ein Lebensraum, ein Ort der Gottesbegegnung und der Gemeinschaft. Für mich bedeutet das, dass die jungen Leute hier mit ihren Ideen eine grundsätzliche Wertschätzung erfahren und sie Stärken, Kreativität und Begeisterung entwickeln können. Deswegen entstehen hier Projekte, die ihnen wirklich am Herzen liegen. Wir geben den Rahmen vor oder setzen inhaltliche Impulse, alles andere kommt von den Jugend­lichen selbst.

Zum Beispiel?
Die erste MediaChurch-Veranstaltung, die sich unsere Jugendlichen ausgedacht haben: Fifa-Turnier und Wii zocken auf drei Großleinwänden. Sie haben sich um alles gekümmert und eine Nachtschicht eingelegt, bis alles perfekt war. Ich musste im Grunde genommen nur noch den Raum aufschließen und am Ende den Preis überreichen. Aber auch bei der Gestaltung von Gottesdiensten steigen sie so tief in die Materie ein, dass ich immer wieder überwältigt bin. Im November gab es einen Jugendgottesdienst zum Thema Loslassen – unsere Jugendlichen haben ein Konzept aufgesetzt und Texte geschrieben, auf die mancher Pfarrer neidisch wäre. Sie trauen sich, Herz zu zeigen, und dass sie das hier bei uns machen, ist ein riesiges Kompliment.

Für viele ist Kirche ja gleichbedeutend mit dem Sonntagsgottesdienst. Wie sieht deine Vision aus?
Ich glaube nach wie vor, dass die klassische Kirche in schwierigen Lebensphasen eine wichtige ­Rolle spielt, ein Rahmen, der hilft. Genau wie Gebete, etwa das Vaterunser zu sprechen, wenn man selbst keine Worte mehr hat. Aber: Die Kirche hat für viele kaum noch Relevanz im Alltagsleben. Die Frage ist doch: Warum gehen die Menschen nicht mehr hin? In England gibt es die Bewegung »Fresh X«, die ich sehr inspirierend finde: Sie orientiert sich wieder an den Bedürfnissen der Menschen. So sind ganz viele tolle Projekte entstanden in Problemvierteln, in Wohnzimmern, in Sportvereinen. Diese Welle schwappt langsam rüber. Es gibt ein Tattoo-Studio in Oldenburg, in dem Gottesdienste gefeiert werden. Kirche darf sich nicht einigeln, sie muss für den Menschen da sein.

Welche Rolle spielt der­ ­Glaube für dich?
Ich werde oft gefragt, ob ich protestantisch, evangelisch oder katholisch bin. Ich sage immer, ich bin Christ. Der Glaube hält mich zusammen. Ich weiß, dass ich versagen darf, dass da jemand ist, der mich auffängt.

Du bist jetzt seit zwei Jahren »JuKi«-­Projektleiterin. Bist du zufrieden mit dem, was du erreicht hast?
Die »JuKi« ist eine Komm-Kirche mit funktionierender Jugendarbeit, 20 bis 35 Jugendliche kommen in der Woche zu uns. Eine Basis von etwa zehn bis 15 Leuten arbeitet ganz regelmäßig mit. Das sind jedoch fast ausschließlich die 13- bis 17-Jährigen von der benachbarten Viktoriaschule. Ich würde mir wünschen, dass wir noch stärker wahrgenommen werden als eine Kirche, bei der alle mitmachen können. Wir organisieren zwei Mal im Jahr eine Kleidertauschparty und den Poetry-Slam, es gibt auch Graffiti-Projekte, Konzerte und Yoga, um möglichst viele und unterschiedliche junge Menschen zu erreichen.

Die Dreifaltigkeitskirche ­wurde dafür aufwändig ­renoviert und umgebaut …
Oh ja, wir haben eine Heizung, eine teilmobile Küche, moderne Licht- und Tontechnik, Wände als Projektionsfläche und vor allem vernünftige Toiletten, auf die wir sehr stolz sind (lacht). Als ich hier anfing, gab es noch keinen Boden und die Kabel hingen aus der Wand. Die Umbauzeit habe ich für Aufbau- und Netzwerkarbeit genutzt.

Und dafür, um in Aachen richtig ­anzukommen?
Nach meinem Bachelor in Religionspädagogik und Gemeindediakonie habe ich mehrere Jahre in Mainz gelebt, da wegzugehen, hat schon echt was bedeutet. Aber ich bin so froh, dass ich es gemacht habe: Ich hatte noch nie eine Stelle, die so herausfordernd ist und bei der ich gleichzeitig so viele Freiheiten habe und eigene Akzente setzen kann. Ohne mich gäbe es hier zum Beispiel keine gute Kaffeemaschine (lacht). Die »JuKi« soll ein klassischer Third Place für die Jugendlichen sein – nach ihrem Zuhause und der Schule. Eine unserer Ideen: noch mehr in Richtung Cafébetrieb zu gehen oder ein Lerncafé einzurichten. Aber das ist noch Zukunftsmusik. \

»Junge Kirche Aachen«
Dreifaltigkeitskirche, ­Herzogstraße 2a Di-Fr 14-17 Uhr
» juki-aachen.de