Laufbahn

Stadtflitzer mit E

RWTH-Professor Dr. Günther Schuh entwickelt mit seiner 2015 gegründeten e.GO Mobile AG das ­Stadtauto von ­morgen: den e.GO Life. Im Interview spricht er über die Produktion von Elektroautos, die Vorteile des Aachener Campus und verblüffende Vorbestellungen.

INTERVIEW JANA HALM
FOTOS E.GO MOBILE AG

Wie ist das Konzept für den e.GO Life entstanden?
Die Geschichte fängt mit dem StreetScooter an. Als Forscher wollten wir 2010 beweisen, dass man mit der heutigen Technologie ein bezahlbares Elektrofahrzeug herstellen kann. Für die Kostensenkung haben wir ein radikales Produktionskonzept entworfen, damit die Betriebskosten des E-Autos nicht teurer sind als die eines vergleichbares Verbrennerfahrzeugs. Das war die eigentliche Herausforderung. Die Frage, ob man mit heutiger Technologie ein bezahlbares Elektroauto herstellen kann, konnten wir im Laufe des StreetScooter-Projektes klar mit »ja« beantworten. Jetzt wussten wir im Prinzip, wie es geht, aber die Welt wusste es noch nicht. Und deswegen machen wir jetzt ein Fahrzeug für Jedermann.

Was unterscheidet die ­Produktion des e.GO von herkömmlichen Verbrennern?
Wenn man es ganz grob sagen möchte: ungefähr alles. In der Automobilindustrie braucht man ein erhebliches Investment für die Pressen, die Produktionsstraßen und die Werkzeuge. Für die Karosserie eines VW Ups braucht man beispielsweise etwa 25 Werkzeuge, die zusammen etwa 125 Millionen Euro kosten. Unsere Werkzeugkosten liegen insgesamt ungefähr bei 6 Millionen Euro. Wir sind außerdem noch flexibel, können Sachen ändern oder einen neuen Fahrzeugtypen bauen. Das teuerste bei einem Elektroauto ist die Batterie. Daher können wir nur Fahrzeugkonzepte realisieren, wo sie am dringendsten nötig sind. Und da sind wir im Stadtverkehr, im Kurzstreckenverkehr. Auch der Motor ist klein und vergleichsweise günstig. Entwicklungskosten sparen wir, indem wir Standardteile verwenden. Statt eines millionenschweren Entwicklungsprozess für einen Scheinwerfer, verwenden wir einen aus dem Regal für 25 Euro. Außerdem entwickeln wir ganz anders und viel günstiger. Wir wenden den sogenannten Scrum-Prozess an, den man aus der Softwareentwicklung kennt. Das führt dazu, dass unsere Entwicklungskosten bei etwa 35 Millionen Euro liegen, während ein normaler Automobilhersteller zwischen 400 und 500 Millionen dafür braucht.

Sie haben gerade die teuren Batterien erwähnt, die auch von Kritikern immer wieder bemängelt werden. Sehen Sie die Zukunft des Elektroautos also nur auf Kurzstrecken und im Stadtverkehr?
Ein reines Elektroauto ist nur mit kurzen Reichweiten wirtschaftlich sinnvoll. Trotzdem bin ich dafür, dass in Zukunft jedes Auto einen elektrischen Antrieb hat. Um in der Stadt emissionsfrei zu fahren, ist eine kleine Batterie ausreichend. Größere Batterien werden zu teuer, daher sollte man da mit einem kleinen Verbrennungs­aggregat die Reichweite sicher­stellen. Mit einem Plug-in-Hybrid­fahrzeug kann man in der Stadt ganz emissionsfrei fahren und außerhalb mit reduzierten Emissionen. So bleiben wir auch bei unserem PeopleMover bei einer kleinen Batterie. Damit er aber auch mal eine extra Strecke ohne Aufladen fahren kann, werden wir ihm ein Notstromaggregat, einen sogenannten Range-Extender einbauen. Das ist dann ein paralleler Plug-in-Hybrid.

Wieso ist der Standort ­Aachen so prädestiniert für die Herstellung von Elektromobilen?
Wir haben hier den »kannste-mal-eben-Campus«. Den gibt es so sonst nirgendwo. Wir haben ihn nicht nur für diesen Zweck, aber eben auch dafür, extra aufgebaut. Wir können hier schnell und mit hoher Kompetenz arbeiten. Obwohl wir erst ein Drittel des Campus Aachen in Betrieb haben, wüsste ich nicht, wo man ein vergleichbares Netzwerk findet. Das spart unglaubliche Mengen an Vorleistungen und eigenen Ressourcen.

Wann darf man denn mit den nächsten Autos rechnen?
Unser zweites Auto wird der PeopleMover. Der geht in zwei Stufen in Serie, weil es ihn als Kleinbus gibt, den man manuell fährt und etwas zeitversetzt auch als autonom fahrendes Fahrzeug. In den nächsten Wochen startet der Fahrtestbetrieb, ab Sommer 2019 werden wir eine Vorserie auf den Markt bringen. Der Aachener Stadtrat hat sich schon dazu entschieden, mit dem PeopleMover wieder eine Innenstadtstrecke am Rathaus vorbei in Betrieb zu nehmen, die dann die Innenstadtbereiche vernetzt. Diese interessante Strecke werden wir mit vier unserer PeopleMover betreiben, die im Abstand von 15 Minuten hin und her fahren werden. Natürlich erstmal mit Busfahrern.

Wie viele E.Gos sind denn bereits verkauft?
Heute haben wir 2.453 konkrete Vorbestellungen von Einzelkunden und Firmen. An einem normalen Tag verkaufen wir so zehn Autos. An manchen Tagen auch schon mal 30 bis 50 Autos. Die andere Seite sind keine verbindlichen Bestellungen, sondern Absichtserklärungen von kleineren Flottenbetreibern und Pflegediensten – unsere Flotte ist für solche Einsätze ja prädestiniert. Insgesamt sind wir bei circa 6.500 reservierten oder vorbestellten Autos. Deswegen werden wir auch im Mai 2019 in den Zweischichtbetrieb übergehen, damit wir dann im Jahr circa 20.000 Autos herstellen können.

Haben Sie mit einem solchen Ansturm gerechnet?
Ehrlich gesagt, nein. Wir haben gedacht, das ist ein Nischenfahrzeug, von dem wir 5.000 bis 10.000 pro Jahr verkaufen können. Wir haben das Projekt so angesetzt, dass wir bei etwas mehr als 8.000 verkauften Autos im Jahr anfangen würden, Geld zu verdienen. Im Endeffekt liegt er jetzt bei etwa 10.000 Fahrzeugen im Jahr. Dass wir so schnell und so viel verkaufen und dass die Leute ein Auto kaufen, was sie noch gar nicht fahren konnten und wo sie den Hersteller noch gar nicht kennen, das ist schon ziemlich verblüffend. Und es zeigt eben, wie interessiert und mutig Kunden sind, die einfach auch etwas mit vorantreiben wollen. Das finde ich für uns, aber auch für alle anderen, ein sehr ermutigendes Zeichen. \

» www.e-go-mobile.com