Effe After Work-Partys reichen längst nicht mehr aus, um nach der Arbeit zu networken. Jetzt trifft man sich nach einem anstrengenden Arbeitstag zum Bier beim Sport. Oder zum Sport beim Bier. Auch in Aachen wird nun Bier-Yoga angeboten. Ein Annäherungsversuch.
TEXT UND FOTOS CHRISTINA RINKENS
Mit Trends ist das in Aachen so eine Sache. Gefühlte Großstadt ist eben nicht gleich gelebte Großstadt. Wenn in Berlin seit Jahren an jeder Ecke Pop-Up-Stores aufpoppen, eröffnet der erste Laden dieser Art in Aachen erst drei Jahre später. Wenn in München Coworking längst die gängige Büropraxis ist, dann ist das in Aachen gerade erst der hotteste Shit. Der aktuellste Trend aus Berlin, konsequent nur noch Englisch zu sprechen – weil das so International scheint – ist damit in Aachen hoffentlich erst in ein paar Jahren angekommen. Oder besser nie.
Manchmal geht’s dann aber wirklich flott. Bestes Beispiel: Bier-Yoga. 2016 wurde der sportliche Trinkspaß in Deutschland erstmals angeboten. Natürlich in Berlin. Und nur ein Jahr später ist er auch schon in Aachen angekommen. Gut, in Stuttgart, Koblenz, Bielefeld und noch ein paar anderen Städten auch. Aber immerhin. Da ist Aachen doch schon fast hip und en vogue.
Ursprünglich soll der Trend Bier-Yoga aus den USA stammen. Unter dem Namen »Detox Retox« werden hier Yoga-Kurse direkt in Bierbrauereien angeboten. Wie der Name schon sagt, nach dem detoxen, erstmal wieder retoxen – also entgiften, dann wieder vergiften. Nicht so beim Bier-Yoga in Deutschland. Hier wird geturnt und getrunken. Gleichzeitig.
Für Aachen ist der Bierladen Hopfen+Malz auf den Bier-Yoga-Zug aufgesprungen. Teamleiterin Jenny Rosebooms Idee war es, die körperbetonte Trinkrunde auch hier anzubieten. Mit Yoga-Lehrerin Christine Guter fand sie eine Mitstreiterin für ihr Vorhaben. Und die sieht in der Kombination aus Yogaübungen und Biertrinken vor allem eine Möglichkeit, Menschen zum Yoga zu bringen, die damit eigentlich nichts am Hut haben und denen das vielleicht zu esoterisch ist. Und Bier trinken, sind wir ehrlich, das macht doch jeder gerne.
Und so findet seit einigen Monaten im hinteren Bereich des Ladenlokals von Hopfen+Malz in der Franzstraße regelmäßig Montagabend als After Work-Aktion die Yoga-Stunde der etwas anderen Art statt. Doch hier sitzt man nicht einfach im Schneidersitz im Kreis zusammen und trinkt sich halt mal gemütlich einen an. Die nächste Stunde wird durchaus anspruchsvoll.
Denn erstmal muss eine Erklärung unterschrieben werden, dass man alle Übungen nur durchführt, wenn man körperlich dazu in der Lage ist und die Yoga-Lehrerin für etwaige Verletzungen nicht belangt werden kann. Denn die Übungen haben es in sich. Von wegen, aus »Ooom« wird einfach nur »Prooost«. Yoga-Vorkenntnisse sind laut Yogatrainerin Christine aber dennoch nicht notwendig.
Um Ängste vor dem, was da kommen mag, beiseite zu schieben, geht es erstmal an die Wahl des passenden isotonischen Getränks. Denn Bier ist nicht gleich Bier. Wie einem bei der großen Auswahl an Biersorten und -arten im Hopfen+Malz schon bewusst werden kann. Zum Glück: Vorkenntnisse braucht man auch hier nicht. Jenny Roseboom von Hopfen+Malz wählt vor jeder Yoga-Stunde fünf Biere aus, aus denen zwei für die folgende Stunde gewählt werden dürfen. Um auf die Besonderheiten hinzuweisen, gibt es eine kleine Einführung. Vom Craft-Bier, über das gluten- oder das alkoholfreie bis hin zum Frucht-Bier.
Doch den ersten Schluck, den muss man sich erst erarbeiten. Getreu dem Motto »Im Bier und Jetzt« wird erstmal im Schneidersitz – wer’s kann im Lotussitz, wobei die Beine übereinander statt untereinander liegen müssen – auf die eigene Mitte gehorcht. »Und jetzt stellt Euch vor, wie der erste Schluck Bier schmecken wird, wie die Aromen sich entfalten und das Bier sich gemächlich in Eurem Körper verteilt«. Und dann darf zum ersten Mal zur Flasche gegriffen werden …
Beim entspannten Sitzen und Trinken bleibt es nicht. Aus dem Schneidersitz raus, geht es in den herabschauenden Hund, bei dem der Körper ein umgekehrtes V bildet. Eine Übung bei der schon aus koordinationstechnischen Gründen nicht getrunken werden kann. Rauf in den Krieger – praktisch eine klassische Siegerposition – , um sich dann an die ersten, bei den meisten Teilnehmer zaghaften, Versuche des Hand- und später Kopfstands zu machen. Bei dem ein oder anderen führt das glatt zu dezenten Überschlägen.
Eine weitere Schwierigkeit: Das eigene Gewicht nur auf den Armen ruhend hoch in die Luft befördern. Puh. Da tut der wohlverdiente Schluck Bier zwischendurch doppelt gut. Den gibt es übrigens meistens bäuchlings liegend, Arme und Beine schweben in der Luft. Auch heikel, aber machbar. Und nach einer Stunde Bier-Yoga hat man so etwa eine Flasche deliziöses Bier genossen. Die Anfänge des Katers sind spürbar. Des Muskelkaters, versteht sich.
Das zweite Bier darf dann, ganz klassisch draußen vor dem Laden sitzend, zu sich genommen werden. Und trotzdem fühlt man sich dabei besser. Irgendwie in seiner Mitte. Vielleicht steigt das Bier aber auch langsam zu Kopf. \