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Ein Bier mit … der Antilopen Gang

Ihr neues Album »Anarchie und Alltag« stieg direkt auf Platz eins der deutschen ­Albumcharts ein – die Jungs von der Antilopen Gang haben im deutschsprachigen Hip-Hop eine ­Marke ­gesetzt. Ein Gespräch mit den Aachener Brüdern Panik Panzer und Danger Dan sowie ­Bandkollege Koljah. Über das neue Album, den Mainstream und die Aachener Subkultur.


INTERVIEW JANA HALM UND HENRIKE KLEHR

Aachen ist – zum Teil – Eure Heimat. Was verbindet ihr mit der Stadt?
PANIK PANZER: Ich verbinde viel mit Aachen, ich bin dort groß geworden. Dennoch konnte ich diese schreckliche Stadt irgendwann nicht mehr ertragen und wollte einfach weg. Es hat sich irgendwie alles wiederholt. Alles, was geil war, hat dicht gemacht. Irgendwann bin ich geflüchtet und brauchte erst mal so ein, zwei Jahre, um wieder meinen Frieden mit Aachen schließen zu können. Aber jetzt hab ich tatsächlich – es klingt furchtbar und kitschig – so ein heimeliges Gefühl, wenn ich auf den Europaplatz zu fahre. Aber zurück möchte ich trotzdem nicht.
DANGER DAN: Ich glaube, ich brauche wahrscheinlich noch ein paar Jahre, bis ich die Stadt wieder mag. Meistens komme ich mit dem Zug an und verbinde wirklich mit jeder Ecke, an der ich vorbeilaufe, eine schlechte Erinnerung. Der Weg vom Bahnhof führt über die Normaluhr, da ist die Viktoriaschule, von der ich runtergeflogen bin. Noch eine Straßenecke weiter habe ich mal eine aufs Maul bekommen. Noch ’ne Straßenecke weiter hat Meikels Kneipe zugemacht. Unten am Kaiserplatz hat die letzte Punk-Rock-Kneipe, das Hauptquartier geschlossen. Viele Sachen, die ich mit Aachen verbinde, sind negativ. Ich muss aber zugeben, als ich las, dass der Klenkes kommt und mit uns reden will, da habe ich ein kleines, heimeliges Fünkchen Melancholie verspürt und gedacht: »Ah Klenkes, witzig, da waren wir doch früher mit Sebastian Sturm mal drin.«
PANIK PANZER: Bei mir ist es so, dass in den Songs, in denen ich retrospektivisch werde – das ist auf dem neuen Album mindestens einmal der Fall – dann erzähle ich aus meiner Zeit in Aachen. Die Bilder, die mir dabei durch den Kopf ­wandern, sind alle aus Aachen. Das ist einfach die Stadt, in der ich die meiste Zeit verbracht habe und in der die wahrscheinlich prägendsten Sachen passiert sind.

Wo wohnt Ihr heute?
KOLJAH: Also ich, der nichts mit Aachen am Hut hat – außer, dass ich die beiden kenne –, wohne in Düsseldorf und ich bin auch in ­Düsseldorf groß geworden.
PANIK PANZER: Mich hat’s nach Köln verschlagen.
DANGER DAN: Vor lauter Alternativlosigkeit bin ich nach Berlin gegangen.

Was glaubt Ihr, woran es liegt, dass Künstler nach Köln oder Berlin gehen? Eigentlich sagt man ja, Aachen habe im Dreiländereck eine gute Lage.
PANIK PANZER: Naja, Musiker ist ja nicht gleich Musiker. Ich kann mich natürlich nicht in einen klassischen Musiker hineinversetzen. Ich glaube, für ihn ist es noch einmal was anderes. Mich persönlich hat die Rap-Szene in Aachen nicht weiter interessiert. Das ist aber nicht der Grund, warum ich gegangen bin. Für mich waren es einfach persönliche Gründe und weil Aachen scheiße ist. (Dan lacht)
DANGER DAN: Also Aachen ist einfach keine musikerfreundliche Stadt. Aachen hatte mal den ältesten Jazzclub Deutschlands, den Malteserkeller. Der musste auch irgendwann zu machen – um einen Laden mit so einer Historie würden sich viele andere Städte reißen. Die ersten Jazzkonzerte in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg haben dort stattgefunden. Und so ein Laden wird einfach dicht gemacht, weil das Ordnungsamt Ärger macht. Alles, was irgendwie cool war, wurde binnen weniger Jahre kaputt gemacht. Alles, was in Aachen irgendwie nett ist, kriegt dann hier und da Probleme mit der Stadt und der Verwaltung.
PANIK PANZER: Ich merke gerade, dass es zu einfach ist, zu sagen: »Aachen ist scheiße und da findet nix mehr statt und alles, was irgendwie subkulturell interessant für mich war, macht dicht. Ich hau ab.« Das ist eine bequeme Ansicht, die für mich auch zur optimalen Lösung wurde. Aber trotzdem gibt es einen Haufen Leute, die versuchen, irgendwas zu reißen. Es gibt noch das Autonome Zentrum und das KingzCorner. Es gibt auf jeden Fall Leute, die versuchen, abseits des Mainstreams etwas stattfinden zu lassen. Und das finde ich cool.
DANGER DAN: Ich möchte an dieser Stelle meinen guten Freund Udo erwähnen, den Betreiber des ­Hotel Europa. Er hat in einer Stadt, in der wahrscheinlich alle gedacht haben, das würde nicht funktionieren, einen abgefahrenen Hipster-Schuppen aufmacht und der Laden ist rappelvoll. Der Typ ist super cool. Es gibt in Aachen auf jeden Fall auch coole Leute, so ist das nicht. Aber die müssen alle gegen städtische Mühlen ankämpfen. Es ist nicht so, dass die Türen sperrangelweit aufstehen und man einfach problemlos was reißen kann. Das ist alles immer mit Problemen verbunden.

Bei Eurer letzten Tour wart Ihr noch im Musikbunker. Auf der kommenden Tour steht Aachen nicht mehr auf dem Programm. Welche Gründe hat das?
PANIK PANZER: Die Leute sind immer traurig, wenn man nicht in ihre Stadt kommt. Aber das hat ziemlich unromantische, komplizierte und bürokratische Gründe.
DANGER DAN: Es gibt in Aachen überhaupt keine Locations mehr, in denen wir spielen könnten. Wir sind zehn Personen und müssten in einem Laden spielen, in den ein paar Leute reinpassen – damit sich das Konzert am Ende rentiert und wir nicht draufzahlen. Bei einem Konzert im Musikbunker verdienen wir überhaupt nichts, im besten Fall können wir froh sein, wenn wir nicht zu viel Verlust machen. Selbst wenn der Laden ausverkauft ist. Und größere Läden gibt’s nicht mehr, die haben alle dicht gemacht, zum Beispiel der Jakobshof, den Rick damals betrieben hat. Und so wandern dann immer mehr Leute aus Aachen weg und auch die Konzerte werden weniger. Da muss sich eine Stadt nicht wundern, dass sie unattraktiv wird, wenn sie keine gemeinsamen Lösungen findet.

Nun zum neuen Album: Was unterscheidet »Anarchie und Alltag« von den bisherigen?
PANIK PANZER: Es ist schöner. Es hat mehr Bässe. Es besitzt mehr Schnelligkeit. Und wir rappen besser.
KOLJAH: Ja, das stimmt alles. Wir haben das gemacht, was wir immer machen – nur noch besser, noch professioneller, noch ausgefeilter. Die Antilopen Gang ist in ’ner Art Selbstfindungsprozess und wir suchen die ganze Zeit die perfekte Positionierung für uns, den perfekten Sound und ich glaube, wir kommen dem mit jedem Album ein bisschen näher. Ich finde, wir haben auf jeden Fall einen Fortschritt gemacht zu den letzten Releases, ohne dass wir aber jetzt irgendwas komplett neu gemacht haben, sondern wir sind der Linie treu geblieben.

Sagt mal was zum Cover. Das hätte ich so bei einer Rap-Band nicht erwartet.
DANGER DAN: Also das Cover ist in einer 3-D Animations-Optik gemacht, wie man sie eigentlich aus der Immobilienwerbung kennt. Und ich finde alleine die Ästhetik an sich verrät viel über die Welt, in der wir gerade leben. Ein Neubau, die Sonne scheint, alle Leute sind gut gelaunt und im besten Alter, friedliche Kinder spielen, die Wiese ist saftig grün. Es ist einfach die perfekte Welt. Natürlich sieht so die Realität niemals aus. Aber es reicht trotzdem vollkommen aus, um Leute dazu zu bewegen, sich Jahrzehnte lang bei einer Bank zu verschulden. Und ich finde, das ist so widersprüchlich und so absurd in sich, dass wir unglaublich gerne mit dieser Ästhetik arbeiten wollten.

In dem Lied »Trojanisches Pferd« singt Ihr davon, als »moralisches Gewissen« gesehen zu werden. Wer ist das moralische Gewissen der Band?
KOLJAH: Ich sehe mich selbst innerhalb der Gang als moralisches Gewissen. Allerdings ein Gewissen, auf das zunehmend keine Rücksicht genommen wird. (beide anderen lachen).

In Euren Texten kritisiert Ihr oft die Mainstream-Rap-Szene. Jetzt gehört Ihr selber dazu. Wie geht Ihr damit um?
PANIK PANZER: Indem wir es ironisieren.
KOLJAH: Ich find auch gar nicht, dass wir besonders die Rap-Szene kritisieren. Wir kritisieren ganz viele Sachen, einschließlich uns selbst. Man kann ja auch bei Sachen mitmachen, die man scheiße findet.
DANGER DAN: Ich mache ja auch bei der Antilopen Gang mit! (lacht)

Letzte Frage: Wenn Ihr jetzt keine Band hättet, was wäre dann aus Euch geworden?
PANIK PANZER: Ich würde wahrscheinlich in irgendeiner Aachener Webdesigner-Klitsche rumhängen und responsive WordPress-Web­sites machen und mein Studien­ende vor mir her schieben.
KOLJAH: Ich hatte eigentlich seit frühster Kindheit immer das Ziel, niemals richtig arbeiten zu gehen und habe das nach dem Studium dann auch erstmal durchgezogen. Vermutlich wäre es irgendwas im journalistischen Bereich geworden. Texte schreiben, im besten Falle sogar von zu Hause aus. Aber vielleicht wäre es auch ganz anders gelaufen.
DANGER DAN: Ich wäre jetzt Intendant eines Theaters. Das wäre ein richtig trauriges Leben. Ich hätte wahrscheinlich sehr viel Zeit in der Oper verbracht und mir persönlich irgendwelche klassischen Interpretationen von moderner Musik, so’n bisschen crappiges Zeug, vorspielen lassen. Allerdings ohne Publikum. \

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