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Auf der Bühne wachsen

NEO-Praktikantin ­Henrike Klehr erobert gerade die ­Poetry Slam-Bühnen dieser Nation. Hier erzählt sie, wie es ist, Poetry Slam zu machen, durch Deutschland zu reisen und plötzlich im Fernsehen zu sein.


VON HENRIKE KLEHR

Ein paar Slammer auf dem Weg zur Location, irgendwo in Restrup. Google Maps hat versagt. Um uns ist es stock­duster. Rechts ein Bauernhof, links ein Feld – die reinste Pampa. Hier soll ein Slam stattfinden? Eher überfällt uns gleich noch eine Herde Kühe.

Slam ist so unterschiedlich, dass es schwer fällt, es in Worte zu fassen. Den einen Abend stehe ich im Jugendzentrum auf einer drei Quadratmeter-Bühne, zwei Tage später vor 1.800 Zuschauern im Audimax, dann wieder vor 30 im Café. Fünf Minuten Zeit, um zu sagen, was man sagen will. Ob Lyrik oder Prosa, lustig oder traurig – egal. Das Publikum bewertet und kürt den Gewinner des Abends.

»Hast du Lust zu uns ins Fernsehen zu kommen?« Absurd – Da war ein ­Hotelzimmer für mich, so hightech, dass ich die Dusche nicht anschalten konnte.

Bei mir ging es mit einem ­Workshop los, danach habe ich für Slam gebrannt. Tausende Youtube-­Videos geschaut, gestaunt, gehofft und schließlich in Köln auf die Bühne gestolpert. Mit 15 Jahren hockte ich regelmäßig im Backstage mit Studenten und – liebevoll gesagt – anderen alten Säcken. Am nächsten Tag in der Schule wurde über Topmodel diskutiert. Hilfe, war ich manchmal müde am nächsten Tag! Oder halt … nicht da.

Schulfrei
Oft verschwand ich einfach für eine Woche, weil wieder Slam-Meisterschaften anstanden, bei denen »meine Hilfe unbedingt gebraucht wird, das ist echt wichtig für die Veranstalter, dass ich da bin!« – so verklickerte ich es meinem Stufenleiter. Natürlich wäre es für die Veranstalter gar nicht wichtig – ich war noch nicht einmal eingeplant. Aber ich bekam frei. Wofür wirklich? Um eine Woche lang alte Slam-Bekanntschaften wiederzutreffen, über Tag Fußball zu spielen, abends Auftritte anzugucken und nachts zu tanzen. Anders gesagt: »Helfen.«

Im Oktober 2016 gewann ich die NRW-Meisterschaften im Poetry Slam. Plötzlich purzelten Anfragen in mein Postfach: »Hast du Lust, zu uns ins WDR-Fernsehen zu kommen?« Dann fing es an, absurd zu werden. Da war ein Hotelzimmer für mich, so hightech, dass ich die Dusche nicht anschalten konnte. Ein eigener Chauffeur mit schnieker schwarzer Karre. Sekt mit Michael Kessler und Thomas Hermanns. »Moment mal«, dachte ich mir nur, »Wie bist du denn da jetzt hineingeraten?«

Es ist nicht nur das auf der Bühne stehen. Es ist das Schreiben – einmal nicht für die Schublade. Das stundenlange Bahnfahren für läppische fünf Minuten Auftritt. Über Texte diskutieren mit Slammern, die über die Jahre Freunde geworden sind. Es ist das gegenseitige Anfeuern. Das gute Gefühl, nie zu wissen, wohin dich der Abend führt. Und wenn’s dann ein Kaff ist: Wer weiß – vielleicht überfällt uns ja heute eine Kuh? \

Foto: Arno Battke