Blog

Hotel Total

Anfang August eröffnet Aachens erstes Pop-Up Hotel in der leerstehenden St. Elisabeth Kirche. Die Visionärinnen und »Hotel Total«-­Entwicklerinnen geben Einblicke in das kreative und soziale Vernetzungs- und Umnutzungsprojekt.


VON CHRISTINA RINKENS

Das große Portal der Kirche ist geschlossen, ins Innere der Kirche gelangt man zur Zeit noch nur durch den Seiteneingang. Einmal eingetreten, folgt Verwirrung. Baustelle oder Kirche? Eine Baustelle in einer Kirche eben. Im alten Pfarrbüro haben die drei Visionärinnen des »Hotel Total« ihre Zentrale aufgebaut. Patricia Yasmine Graf, Julia Claire Graf und Anke Didier haben das junge soziale Unternehmen Hotel Total UG gegründet. Die Designer- und Eventmanagerinnen leiten die Gesamtheit des einzigartigen Projektes, das aus der leerstehenden St. Elisabeth Kirche im Aachener Norden ein Kulturhotel und einen Gemeinschaftsraum machen soll.

Von Würsten und Werbung
Dass Patricia Yasmine Graf und ihre Mitstreiterinnen einen Faible für Design haben, merkt man gleich im künftigen Eingangsbereich des »Hotel Total«. Hier steht eine Wurst. »Vorher war die Wurst die Werbung des Schlesischen Metzgers in Rothe Erde. Bei uns kann man dann bald auf ihr reiten«, erzählt sie. Denn unter die Wurst wurde eine Mechanik montiert, die diese jetzt zu einer Light-­Rodeo-Version macht. Neben der Wurst steht die Rezeption. Erst seit letzter Woche.

»So langsam wirkt es immer mehr wie ein Hotel.« Auch wenn noch viel zu tun ist, bevor das Pop-Up Hotel Anfang August eröffnen kann. Eine achtseitige To Do-Liste sei allein nur beim Bauvorhaben noch abzuarbeiten. So herrscht im großen Kirchenraum beschäftigtes Treiben. Aber Trubel kommt ­dabei nicht auf. Passend zum Ort geht es fast schon besinnlich zu. Oder einfach mit der nötigen Ruhe, die man für so ein Projekt braucht. Denn es geht nicht nur um den ­simplen Umbauvorgang. Als Teil des Vernetzungskonzeptes wird das Hotel Total gemeinsam mit Flüchtlingen und Langzeitarbeitslosen aus Aachen aufgebaut und betrieben. Die fünf Zimmerkuben sind bereits entstanden. Gerade wird am Innenausbau und Design der vier mal vier mal vier Meter Kuben gewerkelt.

Fünf Kuben
»Jeder Kubus ist ein Unikat«, erklärt Julia Claire Graf. Entworfen wurden die Kuben von Studenten der FH Design. Kubus Eins etwa, »Outdoor Inn“ genannt, ist ein weißer Kubus im Camping-Stil. Mit eigenem kleinen Vorgarten und Kunstrasen. »Passt ganz gut hierher. Eigentlich ist das alles wie Campen in einem einzigen großen Raum.«

So hat »Outdoor Inn« auch keine Tür, sondern nur einen Vorhang. Der Kubus »Alles Gute kommt von oben« hat ebenfalls keine Tür. Über eine Außentreppe auf der Rückseite kommt auch der Gast von oben in sein vorübergehendes Schlafgemach. Auch die anderen drei Kuben haben ihre Besonderheiten – das »Baumhaus« (ganz in Echtmoos verkleidet) etwa, in dem der Gast wie ein Insekt unter einem überdimensionalen Blatt nächtigt oder »Film noir«, ein ganz schwarzer Kubus, der seinen Nachtbesuch mit einem außergewöhnlichen Lichtkonzept und an die Wand projizierte Dias empfängt.

An der Außenfassade des Kubus »Raum2« arbeitet gerade der spanische Künstler ­ElDimitry. Eine goldene Schlange soll sich über den Raum-im-Raum-Kubus mit Schlaf- und Lesekapseln und eigener Dachterrasse schlängeln. »Als Add-On für ganz Mutige ­haben wir noch das frei im Seitenflügel ­stehende Himmelbett.«

Kreativort mit Luft nach oben
Vor das Himmelbett, neben die alte Kanzel wurde ein sechster Kubus erbaut: Der Kulturkubus. Auf dem könnte zum Beispiel ein DJ mit seinem Pult stehen, wenn er auflegt. Dann in dem neuartigen Kreativort sollen neben ausgefallenen Nachterlebnissen auch (sub-)kulturelle Events stattfinden. Vom Kinderfest, über den Seniorenklatsch bis hin zu Ausstellungen, Konzerten und Konferenzen.

Karl-Heinz, einer der helfenden Langzeitarbeitslosen arbeitet gerade am Kulturkubus. »Karl-Heinz kennt eigentlich jeder Aachener. Er ist der »Dosenmann«, der immer mit seinem Dosenwagen unterwegs war.« Auch er wird seinen Wagen eine Woche lang im ­Kulturkubus ausstellen. »Das ist die totale Subkultur, die wir meinen und zeigen wollen im ‘Hotel Total’«, sagt Anke Didier. Im ­Kulturkalender seien aber auch bewusst noch Lücken gelassen worden, um spontanen Events nicht die Türe zu verschließen.

Ende in Sicht?
»Für uns läuft das Projekt nicht nur in den drei Monaten, in denen das Hotel geöffnet ist. Die ganzen 14 Monate sind das Projekt.« Der erste Teil wird mit den Umbaumaßnahmen erledigt sein, in einem zweiten Schritt lernen alle gemeinsam, ein Hotel zu betreiben. Miteinander müssen Schwierigkeiten und Culture Clashs aus dem Weg geräumt werden. Und das funktioniert. Es sei ein richtiges Familiengefühl entstanden, alle bleiben abends gerne länger, um noch beisammen zu sitzen und über den Tag zu reden. »Für mich ist es ein Traum. Dass ich jeden Morgen hier her kommen darf und dass das meine Arbeit ist.« Und da schließen sich Grafs Mitstreiter bestimmt gerne an.

Wie es nach den drei Monaten weitergehen wird, steht noch nicht fest. »Das „Hotel Total« ist ein Experiment, ein Prototyp. Vielleicht wird es die Chance geben, länger zu bleiben. Aber dafür müsse ein tragfähiges Konzept gefunden werden. Vielleicht in Form einer Vorausbildung um dem Fachkräftemangel im Hotelgewerbe entgegenzuwirken. Aber auch dafür muss die Finanzierung stimmen. Somit ist die Eröffnung des Hotels auch eine Feldstudie, Studenten der FH helfen mit, ­einen Finanzierungs- und Marketingplan zu entwickeln. »Die Heiz- und Betriebskosten sind natürlich enorm, aber wir sehen auch, wie gut das Projekt angenommen wird. Von den Teilnehmenden, von der Stadt Aachen und nicht zuletzt von den Aachenern selbst.« Pionierarbeit Zeigen, dass Aachen auch anders kann; daran ist den Visionärinnen und ihren Mitstreitern gelegen. CHIO, Printen, Kaiser Karl – das alles sei schön und gut. »Aber uns war langweilig und dann sollte man nicht rummoppern, sondern was machen.« Jetzt müssen die Drei auch weitermachen. Denn erstmals wird die Theke in der Kuppel platziert. Dort, wo früher der Altar stand. Alle sind zufrieden und stehen gesellig um die neue Theke. Die Kirche ist eben ein Begegnungsort. Ein Ort, der offen für das Viertel ist. Offen für Jeden. \