Was tun, wenn man sich in seinem Körper nicht richtig fühlt? Wenn man spürt, dass man mit dem falschen Geschlecht durchs Leben geht? Ein Gespräch über Transidentität mit Petra R., die mal ein Mann war.
INTERVIEW MARCUS ERBERICH
Petra, warum hast Du Dich entschieden, nicht mehr als Mann leben zu wollen?
Mann-Sein hat sich für mich je länger, deso stärker falsch angefühlt – so als würde man ständig mit einer Pappnase durchs Leben laufen, ohne dass gerade Karneval ist. Über viele Jahre meines Lebens habe ich gemerkt: Irgendetwas stimmt da nicht mit mir, aber ich habe es nicht zu fassen bekommen. Man kann sich das als Missverständnis zwischen Körper und Gefühl vorstellen. Als junger Mann habe ich das lange Zeit nicht verstanden und verheimlicht. Über Umwege und eigene Fehlinterpretationen habe ich dann schließlich zu der Identität gefunden, mit der ich in Seelenfrieden leben kann. Transidentität hat übrigens nichts mit Homosexualität zu tun, wie viele weiterhin glauben: Transidentität bezieht sich ausschließlich auf die eigene Person und das Selbstgefühl; Homo- oder Heterosexualität ist eine Frage des bevorzugten Gegenübers.
Was hat sich konkret an Dir verändert?
Mein jetzt weiblicher Kleidungsstil und weibliche Kommunikationsformen, was ausdrückt, wie ich selber wahrgenommen werden möchte. Ein Sprachtraining hilft mir, meine durch den Stimmbruch abgesackte Stimme auf eine angemessene Tonhöhe zu bekommen. Seit meiner Epilation habe ich keinen dunklen Bartschatten mehr. Leider muss ich derzeit noch eine Perücke tragen. Ich hoffe aber, auf längere Sicht mit meinen eigenen Haaren eine passable Frauenfrisur hinzukriegen. Ziel ist es, möglichst ohne Künstlichkeiten durchs Leben gehen zu können. Wobei ich aber möglichst wenig Blicke auf mich ziehen möchte.
Seit wann lebst Du als Frau und wie hat Dein Umfeld auf die Umstellung reagiert?
Ich bin mit einem normalem Alltagsgefühl seit drei Jahren als Frau unterwegs. Vorher habe ich mich das eher selten und nur zu konkreten Anlässen getraut. Die Reaktionen in meinem Umfeld waren durchweg positiv, verständnisvoll und unterstützend. Als freiberufliche Naturwissenschaftlerin halte ich Vorlesungen an der FH, gehe zu Fachkonferenzen und arbeite in wechselnden Projektgruppen. Da gibt es keine Probleme. Wie bei vielen ähnlich Veranlagten auch, werde ich wohl als Mensch geschätzt, und es wird die objektive Arbeitsleistung anerkannt. In meiner Freizeit fahre ich weiterhin gerne Motorrad, aber nicht leistungsbetont wie viele Männer, sondern mit gleitendem Fahrstil und die Umgebung genießend. Ich bin weiterhin aktives und nicht selten tourführendes Mitglied eines Motorradstammtischs, zu dem ich auch früher schon als Mann gegangen bin.
Und wie ist das für Deine Familie?
Ich führe ein ziemlich normales Familienleben, ich habe einen Sohn und eine Frau. Meine Partnerin hat von meiner Veranlagung schon recht früh nach dem Kennenlernen vor etwa 18 Jahren erfahren. Über viele Jahre war aber nicht klar, mit welcher Intensität diese Veranlagung auf das tägliche Leben durchschlagen würde. Obwohl sie mich nach Kräften in meinem So-Sein unterstützt, ist mein durchgängiger Wechsel zur weiblichen Erscheinungsform für sie nach wie vor schwierig, weil sie ja ursprünglich mal einen Mann geheiratet hat.
Das klingt alles irgendwie … eher einfach.
Die Akzeptanz von Nicht-08/15-Lebensentwürfen und Individualität ist heute deutlich größer als noch vor ein paar Jahren. Ich fühle mich in dieser Hinsicht in unserer westeuropäischen Kultur mittlerweile ausgesprochen wohl. Früher war das anders: Die Gesellschaft war erzkonservativ, und alles Seltene wurde als negativ oder sogar als Bedrohung empfunden. Mein Tipp ist: Mit solchen Veranlagungen offen und vielleicht mit ein wenig Selbstironie umgehen! Sie zu unterdrücken und zu verstecken, hat bei vielen schon mit Selbstmord geendet. Sich für eine Veranlagung zu schämen oder zu entschuldigen, die sich auf andere Menschen überhaupt nicht auswirkt, ist falsch. Es entschuldigt sich ja auch niemand dafür, dass er Sommersprossen hat. Um zu diesem Punkt der Selbstakzeptanz zu kommen, können übrigens Selbsthilfegruppen sehr unterstützen. Wir Transidenten sind normale Menschen. Nur halt mit einer ziemlich seltenen Form von »Sommersprossen«. \
Die People-Fotografin Anna Wawra
Anna Wawra stammt aus Wiesbaden. Mit 29 Jahren wagte sie mit einer abgeschlossenen Ausbildung in der Tasche den Schritt zur Selbstständigkeit. Anfang 2013 eröffnete sie das »STUDIO7« in Aachen. Neben der klassischen People-Fotografie beschäftigt sie sich auch mit dem Thema Genderfrauen. Alles begann mit einem Fotowettbewerb zum Thema »Grenzen und Identität«. \ mw
(Erstmals erschienen in Klenkes NEO 14)