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»Volle 5«–Auslese: »Von Zombies und Helden«

Kaum eine Musikrichtung ist so beständig wie Heavy Metal. Treue Fans, keine
Nachwuchssorgen, dazu der Nimbus, jederzeit independent zu sein. Eine Reise durch die Metalgeschichte.


VON SEBASTIAN DREHER

Man nehme eine Jeans-, oder besser noch eine Armeejacke, trenne Ärmel und Kragen ab, und benähe sie mit den szenetypischen Aufnähern von Bands wie Iron Maiden, Blind Guardian oder Manowar – fertig ist die „Heavykutte“. Manch einer mag jetzt denken, es ginge hier um Herrenoberbekleidung für Männer ab 40. Falsch! Heavy Metal hat sich in den letzten 40 Jahren als die Musikrichtung erwiesen, die sowohl die treueste Fangemeinde als auch die wenigsten Nachwuchssorgen hat. Metalkonzerte und -festivals erfreuen sich immer gleicher (oder steigender) Beliebtheit, Kneipen mit Metallica-, Megadeth- und Maiden-Dauerfeuer werden neuerdings sogar von Frauen besucht und spätestens seit »Full Metal Village«, dem Dokumentarfilm der koreanischen Regisseurin Cho Sung-hyung über das jährliche Metal-Happening im schleswigholsteinischen Wacken, ist den Hip-Hop-überdrüssigen Kids bewusst, wie viel Spaß es macht, den Kopf um die Körpermitte kreisen zu lassen bis der Arzt kommt – oder der nächste Kasten Bier.

»In Wacken siehst du im Lazarettzelt kaum Leute«, sagt Ralf Beckers, im Milieu besser bekannt als »Mosh«. »Höchstens mal einen umgeklinkten Fuß oder ein Mädel mit Kreislauf.« Der Vollblut-Metaller hat die Ganzkörpererfahrung des Festivals schon viele Mal erlebt und war jedes Mal begeistert. Die Keimzelle der Metal- und Hardrock-Musik sieht Mosh in Bands wie Led Zeppelin, AC/DC und Judas Priest. »Eigentlich ist Metal wie viele andere Musikstileaus dem Blues entstanden, nur eben härter gespielt.« Black Sabbath, Deep Purple, Rainbow – die 70er-Jahre-Liste der ersten Garde ließe sich noch viel weiter führen.

Dann kamen die 80er, das große Jahrzehnt für Kiss, Motörhead und Iron Maiden. Natürlich gab es auch Ausreißer, Bands, für die man sich im Nachhinein schämte, etwa die Scorpions, Bon Jovi oder dieschwedischen Lippenstift-Träger von Europe. In den 90ern wurde der Ton schärfer, Thrash-, Darkund Deathmetal kamen auf, Anthrax, Carcass und Slayer zogen an der Temposchraube. Im neuen Jahrtausend musste ein neuer Begriff her, Nu-Metal- Bands wie Limb Bizkit, Korn und Slipknot übernahmen die Herrschaft über die jugendlichen MP3-Player.

DIE METALKIDS VON HEUTE SEHEN AUS WIE VOR 20 JAHREN: KUTTE, LANGE HAARE, STÄHLERNER BLICK

Aoxomoxoa-Chef Martin Gotzes kennt sich beim Metal-Publikum aus: Seit zwei Jahren gibt es bei ihm im Club jeden Dienstag die »Show No Mercy«-Party. »Die Metalkids von heute sehen aus wie vor 20 Jahren auch schon.« Das heißt: Kutte, lange Haare, stählerner Blick. Die ersten zwei, drei Abende der Partyreihe kamen etwas schleppend in Gang, doch dann sprach sich der Termin in der Szene herum. Seitdem versammeln sich die Mattenschwinger der Region bei Gotzes im Laden und zelebrieren das Hardcore-Brauchtum. Alle sechs bis acht Wochen gibt es Live-Konzerte: denn auch an jungen, spielwütigen Metalbands gibt es keinen Mangel.

»Durch Facebook, StudiVZ und wie sie alle heißen ist es leichter geworden, die Leute in entsprechende Locations zu bekommen«, meint Florian Hess, der als DJ Tharn jeden Dienstag im Aoxo auflegt. »Das ist praktisch, weil es in der Gegend keinen expliziten  Metalladen gibt.« Der 32-Jährige betreibt die Internetseite » www.metal-aachen.de, auf der Konzerte und Festivals angekündigt, Bands gelistet und allgemeine Metalthemen diskutiert werden können. Das Motto des Forums heißt »Härter als Printen«.

»Es gibt genug Möglichkeiten, zu harter Musik abzufeiern. Wer die Anreise nicht scheut, kann im Sommer jedes Wochenende auf ein Konzert, Festival oder auf eine Party.«, »Metal- Inferno«, »Crossed Axes« oder »Mosh in den Mai« – die Liste der Metalfestivals ist lang. Doch auch lokal geht einiges: der genannte Metal-Dienstag im Aoxo, die »Painkiller«-Party im Nightlife, die »Dark and Loud«-Party im Musikbunker. Wer auf Livemusik steht, darf sich auf keinen Fall das »Mosh it Up«-Festival (ebenfalls MuBu) entgehen lassen. Die Thrash-Metal-Veteranen von Scornage haben es vor über zehn Jahren unter dem Motto »Zehn Bands, zwei Bühnen, keine Gnade« ins Leben gerufen.

Heavy Metal findet seit vier Jahrzehnten seine Nische zwischen Mainstream und Randgruppenmusik. Nie wirklich im breiten Publikumsbewusstsein, nie wirklich vergessen. Vielleicht liegt ein Grund darin, dass Metal wie kaum eine andere Musikrichtung polarisiert. Für ihre Fans sind die Metalstars die Propheten einer besseren, aufregenden Welt, in der muskelbepackte Helden gegen Zombies und Skelette antreten. Vielen anderen sind sie peinlich. Irgendwo dazwischen liegt die Wahrheit. \