DIETER COMOS
Das idyllisch an der Weser gelegene Industriegelände des Eupener Kabelwerks grenzt an die Spielstätten unseres Straßentheaterfestivals HAASte Töne?!. Schon länger hatten wir die Idee, die praktisch vor unserer Nase lagernden Kabeltrommeln des Werks zu Deko-Zwecken zu entfremden und aus ihnen Sitzgelegenheiten zu formen.
Dieses Jahr kann das Vorhaben dank einer Zusammenarbeit mit dem Lütticher Design und Upcycle Kollektivs »Microfolies« im Rahmen des Musikmarathons realisiert werden. Als Upcycling bezeichnet man den Prozess bei dem Abfallprodukte oder scheinbar nutzlose Stoffe in neuwertige Produkte umgewandelt werden.
Letzten Freitag bin ich also zusammen mit zwei Kollegen in einem geliehenen Zwölftonner auf dem Gelände des Kabelwerks angerückt und ein freundlicher Arbeiter hat uns mit dem Gabelstapler sechs Prachtexemplare von Kabeltrommeln (drei XXL und drei Babytrommeln) in den Lkw gehievt. Das war der leichtere Teil der Übung. Schwieriger gestaltete sich der Transport der Teile in die Werkstatt von Microfolies im Lütticher Stadtteil St. Léonard, wo die Trommeln in einem kreativen handwerklichen Prozess ihrer neuen Bestimmung überführt werden sollten. Das Abenteuer begann am Eingang des Viertels St. Léonard. Neben der Tatsache, dass die Straßen hier sehr schmal sind kam noch erschwerend hinzu, dass Teile des Viertels gesperrt waren. Ich kann euch sagen, mein Kollege Dany hat bei den Manövern Blut und Wasser geschwitzt. Schlussendlich haben wir dann aber die Microfolies Hallen heil erreicht und wurden freundlich empfangen. Michel Michels, Graphiker, Sozialarbeiter und Schreiner in einer Person war selber überrascht ob der Größe unserer XXL Trommeln, freute sich aber darüber jetzt das Rohmaterial (neben den Kabeltrommeln werden auch Materialien zum Einsatz kommen, die im Eupener Sperrgut- Sortierzentrum Recycl gesammelt wurden) zur Verfügung zu haben und mit seinem Team loslegen zu können.
Das Microfolies Kollektiv setzt sich neben dem Kern um die Designer-(Innen)Architekten-Photographen Benjamin Stainier, Laurent Gélize und Michel Michels aus zahlreichen Akteuren zusammen, die unabhängig von Alter, Geschlecht, Erfahrung, Bildungsgrad, Nationalität, Fähigkeiten an Projekten zur Sensibilisierung für Umweltthemen mitarbeiten. Prinzip und Vorgehensweise ist hierbei das Sammeln von Sperrmüll im eigenen Umfeld, um dann daraus funktionale Objekte zu kreieren, die bei kulturellen Veranstaltungen zum Einsatz kommen. Nach den Veranstaltungen gehen die Objekte in den Besitz von lokalen Organisationen, Kulturzentren, Vereinigungen über. Die zentralen Werte von »Microfolies« sind: Nachhaltigkeit, soziales Bewusstsein (voll funktionsfähige Objekte, die anderen Menschen noch dienen könnten, werden nicht gesammelt), Funktionalität und Ästhetik und ein bedächtiger Umgang mit Ressourcen (geringstmöglicher Energieeinsatz, Vermeidung von Schnittabfällen, Verpflichtung auf günstigste Art und Weise zu produzieren). Die Gegenstände werden anhand ihres Charakters, ihrer Herkunft und ihrer Kompatibilität zueinander ausgewählt – möglichst selten werden Kleb- und Schraubmaterialien genutzt, um das Grundgerüst zusammenzuhalten. Oberstes Ziel von Microfolies ist es, beständige Design- und Möbelstücke zu erstellen, die sich auf möglichst natürliche Art und Weise ergänzen.
Microfolies Objekte können seit 2011 unter anderem jährlich auf dem Lütticher Musikfestival »Micro« bestaunt werden und am 9-10. Mai auf unserem Festival am Bühnenstandort Klötzerbahn. Wir sind sehr gespannt auf das Ergebnis und wünschen dem Team viel Freude und Inspiration bei der Arbeit.