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Mein Leben in Sneakern

Vom Schuhgeschäft in die Abschlussarbeit. Oder: Ein Lob auf meine Sneaker.

VON MICHAEL BREUER

Meine persönliche Beziehung zu Sneakern prägte ein Ereignis in der fünften Klasse:

Zu dieser Zeit hieß Schuhkauf noch, mit meiner Mutter ins Schuhcenter zu gehen und zu schauen, was die Auslage in meiner Größe bereit hielt. Ich verguckte mich in ein Paar rote Runner von adidas. Die Dinger gingen in den nächsten Montaten mit mir überall hin – ja wirklich überall hin. Da war es natürlich kein Wunder, dass die Halbwertszeit schnell erreicht war und die Dinger einfach durch waren.

Schweren Herzens setzte ich mich ins Auto und es ging wieder zum Schuhcenter, aber ich wollte mich noch nicht wirklich von meinen geliebten roten Tretern trennen. Als ich wieder vor der Auslage stand, konnte ich meinen Augen kaum trauen: Da standen sie immer noch im gleichen Farbweg und in meiner Größe zu einem reduzierten Preis. Da konnte Mama natürlich nicht nein sagen.

Adidas Superstar. Zeichnung: facebook.com/snkr.art

Adidas Superstar. Zeichnung: facebook.com/snkr.art

Irgendwann zog es mich aufs Skateboard und dort erreichte dann auch mein zweites Paar der roten adidas ganz schnell seine Belastungsgrenze. Für das raue Griptape sollte das passende Schuhwerk her und das kam klassischerweise von Vans. Der kalifornische Brand war schon in den 70ern dabei, als sich die ersten Surfer auf ihren selbstgebauten Rollbrettern in leere Swimmingpools stürzten. Den Soundtrack dazu lieferten die ersten Punk Bands. Die fanden dann ihren Weg in meinen Discman, der übrigens mit seinem – damals revolutionären – Anti-Schock-System einen Sprung mit dem Board aushielt.

Auf dem Cover einer meiner Alltime-Favourite-Platten, dem selbst betitelten Debüt-Album von The Ramones, posiert die Band in ausgelatschten Sneakern. Die habe ich bis vor kurzer Zeit auch immer für die untrennbar mit Punk und Rock ’n’ Roll verbundenen Chuck Taylor Allstar von Converse gehalten, aber weit gefehlt! Johnny, Joey, Dee Dee und Tommy trugen auf dem Foto Sperry Top-Sider Schuhe, was Converse aber nicht daran gehindert hat, den Jungs posthum eine eigene Kollektion zu spendieren.

Aber wie pubertäre Halbstarke nun mal so sind, landete irgendwann mein Skateboard und meine Punk-Platten in der Ecke. Das neue große Ding zu dieser Zeit war Rap. Es war genau der Zeitpunkt, an dem die erste Deutschrap-Blase platzte und Schulhöfe aussahen wie New Yorker Stadtviertel. Baggypants und adidas Superstars mit extra breiten Laces waren angesagt.

Aber ich wurde älter und die Musik, die ich hörte wieder gitarrenlastiger. Baggys und Superstars verschwanden wieder in den Untiefen meines Kleiderschranks. Die Liebe zu Sneakern aber blieb.

Air Max 1. Zeichnung: facebook.com/snkr.art

Eines Tages tauchte dann ein Kumpel von mir mit einem neuen Paar Air Max von Nike in der Schule auf, das meine bisherige Präferenz für die Marke mit den drei Streifen nachhaltig in Frage stellen sollte. Der Air Max 87 wurde damals für mich zum Inbegriff des klassischen Running Sneakers. Seine Silhouette und das Fenster im Fersenbereich, das einen Blick auf die Air-Dämpfung gewährt, hebt ihn von tausend anderen Sneakern ab. Designer Tinker Hatfield lies sich für das übrigens für die »Air Bubble« bei der Architektur des Pariser Centre Pompidou inspirieren. Mit seinem Nachfolgemodell, dem Air Max Light fing dann meine Sammlerleidenschaft so richtig an.

(Meine ersten Lights ergatterte ich damals übrigens im Aachener »Druckstore«, der kurze Zeit später leider dicht machen musste. Für Fans von ausgefallenen Silhouetten und Farbwegen war er damals die Adresse schlechthin. Die Zeit danach konnte man sich als Liebhaber dem Einheitsangebot bei den großen Sport-Ketten nur entziehen, indem man entweder bis Köln fuhr oder im Internet auf Sohlenjagd ging. Seit 2012 gibt es auch wieder einen „echten“ Sneakerstore in der City, der mit Partys und Tauschbörsen die Szene versammelt.)

Müsste ich mich von Stücken aus meiner Sammlung trennen, würde ich aber bestimmt nicht einmal die Hälfte des Kaufpreises bekommen. Denn egal, wie limitiert und exklusiv ein Sneaker sein mag; ist er hässlich, kommt er nicht an meine Füße. Da gebe ich mich doch lieber mit einem schönen Vintage-Paar im richtigen Farbweg zufrieden oder schaue, was die Brands so an Neuheiten und gelungenen Retros raushauen.

Wenn ich heute an das Erlebnis mit meinen ersten roten Sneakern zurückdenke, muss ich innerlich über mich selbst lachen. Ich hätte damals natürlich nie für möglich gehalten, als Mann mehr als zwei Paar Schuhe zu besitzten. Ok, vielleicht noch ein drittes Paar für den Anzug, das war es dann aber auch. Weit gefehlt! Heute besitze ich bestimmt dreimal so viele Sneaker wie meine Freundin und vor zwei Jahren hatte ich sogar die Möglichkeit, meine Bachelor-Arbeit über die popkulturelle Bedeutung der Sneaker zu schreiben und das Phänomen aus einer wissenschaftlichen Perspektive zu betrachten. In letzter Zeit gebe ich auf Deutschlands Popkultur-Blog »hypesRus« noch meinen Senf aus persönlicher Sicht hinzu und bekenne mich schuldig, den Wahnsinn um die bunten Treter noch weiter anzuheizen. \