E. wurde in ihrer Heimat zwangsverheiratet. Ihr Ehemann hat sie schwer misshandelt und versucht, sie zu ermorden. Dass sie noch am Leben ist, verdankt sie der Polizei, ihrem Mut und einer großen Portion Glück im Unglück.
VON MARCUS ERBERICH
E. will nicht, dass ihr Name irgendwo auftaucht. Sie hält die Arme vor der Brust verschrenkt. Ihr Blick ist starr, meist richtet sie ihn nach unten. Nur selten sucht sie flüchtig Blickkontakt zu ihrer Übersetzerin, fast so, als wolle sie sicher gehen, dass sie noch da ist. Sie trägt Lippenstift, sie lächelt nicht. Wie könnte sie auch, angesichts der Tatsache, dass ihr Ehemann sie sucht, um sie zu töten?
Schon einmal wollte er sie umbringen: 40 Messerstiche und Schläge auf den Kopf. Sie hat überlebt. Einige Jahre ist das jetzt her – er wurde abgeschoben, »Gott sei dank«, wie sie sagt. Seither hat sie die meiste Zeit in Frauenhäusern verbracht, hat sich mit den Kindern vor ihm versteckt. Für ihre Kinder will sie stark sein, obwohl sie von ihm sind, und obwohl sie das Ergebnis einer Vergewaltigung sind.
INTERVIEW: »Angst, enttäuscht zu werden? Scheiße ja!«
Ihr Vater hatte sie gemäß der Tradition in ihrer Heimat an diesen Mann verkauft. Zehn bis dreizehn Jahre älter als sie war er – genau weiß sie das nicht. Am Tag ihrer Hochzeit begegnete sie ihm zum ersten Mal. »Ich musste ‚ja‘ sagen, sonst hätten sie mich umgebracht.«
Einmal hat sie versucht, sich das Leben zu nehmen. Aber das ist lange her. Die Angst vor ihrem Mann macht sie zwar krank, aber aufgeben kommt für sie nicht in Frage. Regelmäßig besucht sie einen Psychotherapeuten, lernt Deutsch, will arbeiten gehen. Als nächstes soll ihre Familie einen anderen Namen bekommen – das würde sie etwas beruhigen.
Was wünscht sich eine Frau, für die Liebe etwas ist, das es nur in alten Liedern gibt? Sie sieht ihrer Übersetzerin in die Augen. Dann formt sich ihr Mund zu einem Lächeln – stumm und flüchtig, aber ganz kurz ist es da. Sie wünscht sich, dass ihre Kinder es mal gut haben. Sie wünscht sich Sicherheit, will sich nicht mehr fürchten. Und sie wünscht sich, vielleicht irgendwann wieder mit einem Mann zusammen zu sein. Aus Liebe. Nicht aus Zwang. ///
Frauen helfen Frauen e.V. – Interventionsstelle bei häuslicher Gewalt
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Der Text ist erstmals erschienen in NEO 5: »LIEBE«. Heute hier veröffentlicht im Zuge des »Internationalen Tages zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen«, alljährlich am 25. November von mehreren Menschenrechtsorganisationen veranstaltet.