Laufbahn

Anonyme Bewerbungen – Chance oder Quatsch?

Bewerbungen scheitern häufig nicht an zu schlechten Qualifikationen, sondern am ersten Eindruck. Und wenn der einmal missrät, dann gibt es in der Regel kein Zurück mehr. Noch ärgerlicher ist es aber, wenn eine Ablehnung persönliche Gründe hat. Diskussion über anonymisierte Bewerbungen.

VON MARCUS ERBERICH

Bitte recht freundlich! Aber dabei auch ganz natürlich, wenn’s geht, und den Kopf vielleicht noch ein bisschen nach links neigen. Bewerbungsfotos sind fester Bestandteil jeder Bewerbungsmappe, obwohl sie so gut wie nichts über unsere Persönlichkeit aussagen. Gleiches gilt für die Aufzählung der eigenen, überwiegend erfundenen Stärken – oder sind wir tatsächlich alle ausgesprochen belastbar, überaus teamfähig und zudem noch sehr ehrgeizig?

Vielleicht liegt es an diesen festgefahrenen Konventionen, dass Bewerbungen schreiben nur für die wenigsten zu einem gelungenen Sonntagnachmittag dazu gehört. Und vielleicht ist das auch der Grund, weshalb einige mittlerweile dazu übergehen wollen, Bewerbungen anonym zu verfassen. Das bedeutet: Kein Foto, keine persönlichen Angaben – es geht nur um die Qualifikation des Bewerbers, schwarz auf weiß. Auch ausländische Nachnamen, Familienstand, Alter und Geschlecht einer Person sollen so auf das Bewerbungsverfahren keinen Einfluss mehr haben; Studien haben bewiesen, dass derlei Informationen oft dazu führten, dass Bewerber nicht zu einem persönlichen Gespräch eingeladen wurden.

Da wäre zum Beispiel das Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aus dem Jahr 2010: In mehreren namhaften Firmen wurde ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren durchgeführt; mit dem Ergebnis, dass im Rennen um die freien Stellen eine größere Chancengleichheit bestand. Erst nachdem die Entscheidung für oder gegen einen Bewerber gefällt war, wurde seine Identität aufgedeckt. Das belegt, dass auch Personalchefs großer Firmen nicht immer vorbehaltlos an Bewerbungsmappen herangehen. Und es zeigt, dass anonymisierte Bewerbungen durchaus ihren Sinn ergeben. Zumindest, wenn es den Konzernen nicht um die Persönlichkeit, sondern um die nackten Fähigkeiten eines Bewerbers geht.

Im Ausland – zum Beispiel in den USA und in Kanada, aber auch in Frankreich und der Schweiz – scheint sich die unpersönliche Bewerbung derzeit schon durchzusetzen. In Belgien wird das Verfahren seit 2005 im öffentlichen Sektor bereits praktiziert und ist sogar gesetzlich verankert. Und auch in Deutschland wird man zunehmend darauf aufmerksam: Die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit hat sich an dem Pilotprojekt der Antidiskriminierungsstelle beteiligt – mit Erfolg.

Christiane Schönefeld, Vorsitzende der Geschäftsführung, zieht jedenfalls ein positives Fazit: »Die aktive Förderung von Vielfalt und Chancengleichheit am Arbeitsplatz ist schon lange Teil unserer Geschäftspolitik«, heißt es in der offiziellen Presseerklärung, »das anonymisierte Bewerbungsverfahren ist ein weiterer Baustein bei der Umsetzung dieser Ziele.« Um ausgeschriebene Trainee-Stellen bei der Regionaldirektion haben sich in einem anonymen Bewerbungsverfahren 60 Prozent mehr Bewerber bemüht, als noch im Vorjahr unter »normalen« Bedingungen. Und auch nach Ende des Modellprojekts sucht die Regionaldirektion NRW ihre Trainees anonym aus, aber Christiane Schönefeld sieht trotzdem noch Verbesserungsbedarf: »Unser bisheriges Verfahren, alle relevanten Passagen einer Bewerbung per Hand zu schwärzen, hat sich als sehr aufwendig und technisch ineffektiv erwiesen.« Sie hofft, das Verfahren »durch entsprechende Software digital vereinfachen zu können.«

Jedoch: Die Idee stößt auch auf Skepsis seitens einiger Firmen und Konzerne. Der Persönliche Eindruck scheint hier oft noch schwerer zu wiegen, als die Qualifikationen auf dem Papier. In einem Artikel auf der Internet-Plattform »Spiegel-Online« wird Husam Azrak von der Deutschen Telekom zitiert: »Unsere Personalstrategie richtet sich eher nach dem persönlichen Eindruck, den wir von einer Person im Vorstellungsgespräch gewinnen. Darauf legen wir mehr Wert als auf einen glatten Lebenslauf oder gute Zeugnisse. Eine anonyme Bewerbung ist da eher hinderlich.« Flächendeckend werden anonymisierte Bewerbungsschreiben sich in Deutschland also nicht durchsetzen, zumindest vorerst. Und darum heißt es auch weiterhin: Den Kopf bitte noch ein kleines Stückchen nach links!