Machen High-Tech-Anwendungen unser Leben wirklich so viel leichter, wie die Werbung es uns verspricht? Fünf Fragen an Privatdozentin Dr. Christine Sutter vom Institut für Psychologie an der RWTH Aachen.
INTERVIEW: MAX KELLER
Frau Dr. Sutter, Wie erleichtern uns moderne Applikationen unseren Alltag?
Auf den ersten Blick erleichtern moderne Applikationen menschliche Informationsverarbeitungsprozesse und deren Umsetzung in motorische Bewegungsabläufe. Die vielfältigen Anforderungen an Muskelkraft und Bewegungssteuerungen, die in früheren Handlungsprozessen stark gefordert waren, werden reduziert. Zum Beispiel klickt man nur noch auf der Computermaus, um bestimmte Tätigkeiten auszuführen. Auf der anderen Seite stellt die Verwendung moderner Technik hohe Anforderungen an die kognitive Leistungsbereitschaft und motorische Geschicklichkeit. Besonders dann, wenn die Bedienung eines Werkzeuges nicht intuitiv erschließbar ist und aufwändig erlernt werden muss.
Welche Chancen bietet uns moderne Technologie im Berufsleben?
Beispielsweise werden heutzutage viele chirurgische Eingriffe minimal-invasiv mit Hilfe eines Laparoskopes durchgeführt. Mittels eines kleinen Schnittes wird zur Operation ein stabähnliches Instrument in die Körperhöhle eingeführt. Somit sind Gewebevernarbungen und Wundschmerzen viel geringer als bei herkömmlichen Operationen. Ein weiterer Schritt ist die roboterassistierte Chirurgie und Teleoperation. Roboterbewegungen können sehr viel präziser programmiert und ausgeführt werden als das bspw. ein menschlicher Operateur leisten kann, da dessen Handbewegungen aufgrund des natürlichen Muskelzitterns immer einer gewissen – wenn auch geringen – Ungenauigkeit unterliegen.
Gewinnen oder verlieren wir heute Zeit, wenn wir uns mit diesen Technologien umgeben?
Ich persönlich empfinde mich immer solange als Zeitgewinner, wenn die mich umgebenden Technologien reibungslos funktionieren. Dann begeistert Technik! Häufig sind aber schon Anschaffung und Wartung moderner Technologien für den nicht besonders technik-versierten Nutzer sehr zeitaufwändig. Und die Bedienung vieler moderner Technologien erschließt sich oft nicht aus dem natürlichen Handlungsrepertoir: es müssen bestimmte Gesten und deren Zuordnung zu bestimmten Funktionen erlernt werden. Wer wirklich Zeit gewinnen möchte, sollte im Urlaub mal analog unterwegs sein!
Kann man Arbeit und Privatleben im Zuge der Technologisierung überhaupt noch trennen?
Ich denke, dass es aufgrund der neuen Medien immer schwieriger wird, Privates und Berufliches zu trennen. Man ist nicht zuletzt durch das Smartphone jederzeit per E-Mail und telefonisch erreichbar. Es wird schon geradezu erwartet, ständig verfügbar zu sein. Wichtig ist, sich selbst Grenzen zu setzten und freie Zeiten zu schaffen. Nicht zuletzt ist schließlich auch für viele Menschen Zeit, in der man nicht erreichbar ist, Luxus.
Wie ist es mit dem Liebesleben? Welchen Einfluss hat zum Beispiel das Internet auf unsere Partnerwahl und unsere Liebesbeziehungen?
Soziale Netzwerke bieten die Möglichkeit, Leute mit ähnlichen Interessen kennen zu lernen und Informationen über Andere zu finden. Dort ist die Hemmschwelle, jemanden anzusprechen, viel niedriger. Der schnelle Zugang zum Internet über Smartphones, Tablets und so weiter bietet vor allem Menschen mit Zeitmangel die Möglichkeit, sich zwischendurch Beziehungen zu widmen. Man lernt durch soziale Netzwerke schon sehr viel mehr Leute kennen und kann den Kontakt dort viel einfacher pflegen. Alle diese Möglichkeiten machen es aber nicht einfacher, den passenden Deckel für den Topf zu finden. Aber die Kommunikation wird vereinfacht. \