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»Eine Prellung ist doch keine Verletzung«

Gerrit Ervig ist erster Vorsitzender des American-Football-Vereins Aachen Vampires. Im Gespräch mit NEO verrät er, was er an seinem Sport so geil findet.

VON MARCUS ERBERICH

Gerrit Ervig sitzt mit einem Glas Wasser auf der Terrasse des Clubhauses auf dem Gelände der Aachener Turn-Gemeinschaft (ATG). Auf dem Rasen macht sich gerade die Mannschaft der Aachen Vampires für das Training warm, es sind etwa 30 Männer mit Helmen und Schulterpolstern – normalerweise kommen sogar noch mehr.

Viele der Spieler sind Studenten, ein großer Teil davon studiert Maschinenbau an der RWTH. Und – auch wenn man sich dagegen wehrt – ein wenig überrascht diese Tatsache. Immerhin verspricht das Klischee doch große Kerle mit vielen Muskeln und wenig Grips. »Auf Pfiff geht’s los und alle prügeln sich – das ist ein oft gehörtes Vorurteil«, sagt Ervig: »Eigentlich ist American Football wie Rasenschach. Immerhin haben wir in jeder Saison ein Playbook von 20 bis 30 Seiten.« Playbook, das ist ein Buch, in dem jeder Spielzug des Teams festgehalten ist. Jeder Spieler muss dieses Buch auswendig kennen.

Dass es auf dem Feld auch mal ruppig zur Sache geht, leugnet Ervig nicht – und das gehöre auch dazu. »Es macht einfach Spaß, einen Gegenspieler zu tackeln. Das ist ein total geiles Gefühl«, sagt er. Er erinnert sich noch, wie er zu seiner aktiven Zeit einen Gegenspieler – damals ging es gegen Recklinghausen – durch ein hartes Einsteigen daran gehindert hat, einen Pass zu fangen. Ervig macht seine Bewegung von damals nach, im Sitzen, und imitiert das schmerzliche Grunzen seines Gegenspielers im Moment des Zusammenpralls. »Das war einfach geil«, sagt er.

Vampires Training

Die Aachen Vampires beim Training. Foto: Marcus Erberich

Heute ist Ervig 36 Jahre alt und nicht mehr aktiv. Er hat aufgehört, als er sich zum zweiten Mal den Arm brach – dummerweise war seine Frau damals schwanger, »und das fand sie halt nicht so toll.« Er lacht. Von seinen Verletzungen erzählt er beinahe beiläufig. Sicher, so mutmaßt sein Gegenüber, seien ja auch Prellungen an der Tagesordnung. Ervig: »Eine Prellung ist doch keine Verletzung! Brüche, Bänderrisse – das sind Verletzungen!« Und so richtig lassen kann er es nicht: »Mir juckt es jedes Mal in den Füßen, wenn ich die Jungs auf dem Feld sehe.«

Es ist die Lust auf Vollkontakt. »Leute, die neu zu uns kommen, haben Bock auf was anderes, auf etwas mit Wumms«, sagt Ervig. »Die wollen es einfach auch mal knallen lassen. Viele kennen das von Spielen aus dem Fernsehen.« Aber nur, wer nicht nur knallen lässt, sondern auch bereit ist, sich auf das Spiel einzulassen, hat eine Chance. Ervig: »Football ist eine Mischung aus Power und Präzision. Und wenn der Schiedsrichter pfeift, musst du dich konzentrieren und zurück auf deine Position gehen. Du musst in einer körperlichen Stress-Situation überlegt und nach Plan handeln und deine Aggression an- und abschalten können.«

Ihre Heimspiele tragen die Vampires im Ludwig-Kuhnen Stadion in Burtscheid aus. Zu den Matches kommen regelmäßig ein paar Hundert Zuschauer – dass es so wenige sind, ärgert Gerrit Ervig. Immerhin bekommen sie dort mehr zu sehen als nur große Kerle mit vielen Muskeln. \

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