Alexandra Schewtschenko gehört der weltweiten Frauenbewegung Femen an. Zusammen mit vier weiteren Aktivistinnen protestierte sie am 8. April 2013 auf der HANNOVER MESSE gegen Kreml-Chef Putin – oben ohne. Im Interview spricht sie über Absichten und Ziele der Bewegung und lästert über Wladimir Putin.
INTERVIEW BEN SCHRÖDER
Frau Schewtschenko, von der Femen-Bewegung hört man momentan überall. Besonders natürlich wegen ihrer Protestaktion gegen Wladimir Putin in Hannover. Wann war für Sie der Punkt erreicht, an dem Sie sich zum handeln gezwungen fühlten?
Ich weiß nicht genau wie ich es beschreiben soll, aber für mich ist es etwas ganz Natürliches, sich gegen Dinge, die man als ungerecht empfindet, zu wehren. Ich kann die Menschen nicht verstehen, die einfach alles akzeptieren und sich der Situation hingeben.
Warum wehren Sie sich nackt?
Wir haben nicht einfach irgendwann entschieden: Na los, wir protestieren nackt! Wir haben viele Wege probiert, unseren Protest zum Ausdruck zu bringen. Zugehört hat nie jemand. Wir haben uns dann zusammengesetzt und überlegt, wie wir uns Gehör verschaffen können. Am Ende haben wir dann unseren ganz eigenen, aber für uns sicher besten Weg gefunden. Neben breiter Aufmerksamkeit bringt uns die Nacktheit aber auch ein Gefühl von Freiheit, das wir so nicht mehr missen wollen. Wir haben nichts zu verbergen. Und auch wenn auf der Hand liegt, dass wir vielleicht anders aussehen als Männer, sollten die Rechte dennoch gleich sein.
Sie kämpfen laut eigener Aussage gegen sexuelle und soziale Ungerechtigkeit. Mit Ihrem Körper. Manche Menschen nehmen Sie genau deshalb nicht wirklich ernst…
Da denke ich gar nicht so viel drüber nach. Ich denke jedoch, dass die zahlreiche Kritik, die uns momentan begegnet, schon zeigt, dass man uns ernst nimmt. Das beste Beispiel ist ja Putin mit seiner hässlichen Botoxfresse. Er wirft den deutschen Sicherheitskräften vor, unaufmerksam gewesen zu sein, und fordert Bestrafung und dass wir in das Gefängnis gehen sollten. Also ich denke, zumindest er nimmt uns jetzt mit Sicherheit ernst.
Und die Botschaft, die Sie transportieren wollen? Haben Sie keine Angst, sie könnte wegen all der nackten Haut in Vergessenheit geraten?
Ich habe Angst, dass unsere Botschaft die Köpfe der Menschen nicht erreichen könnte. Mir macht es auch nichts aus, dass jemand über meine Brüste oder meinen Hintern reden könnte, das machen die doch auch so, wenn ich einfach nur zum Supermarkt die Straße runter laufe. Frauen werden zu oft als reine Sexobjekte behandelt. Und das macht mir Angst.
Was hätten Sie Putin sagen wollen, wenn die Sicherheitskräfte Sie nicht aufgehalten hätten?
Wir haben ihm alles gesagt, wir standen ja auch nur einen Meter von ihm entfernt. Wir glauben auch nicht, dass wir gestoppt wurden, er hat alles gehört. Ich muss nicht wiederholen, was ich über ihn denke.
Wie sind die Reaktionen in der Bahn oder im Supermarkt auf Sie als Femen-Aktivistin?
Bisher hat mich noch niemand beleidigt oder gar attackiert. Ich habe sogar das Gefühl, Männer haben jetzt mehr Respekt vor mir. Sie haben Angst, etwas Anzügliches oder Sexistisches zu sagen. Auf der anderen Seite interessieren sich aber auch sehr viele Menschen für uns als Femen und unsere Themen. Putin, der Umgang mit Homosexuellen oder die Unterdrückung der Frauen im Islam. Jeder weiß, dass nicht richtig ist, was da abläuft, aber alle fühlen sich hilflos. Da haben wir auf der Straße schon tausende Diskussionen drüber geführt.
Was raten Sie diesen Menschen und besonders Frauen dann?
Tapfer für Gerechtigkeit zu kämpfen und ihre Stimme zu erheben. \