Wie attraktiv ist der Wissenschaftsstandort Aachen für Absolventen? Vier Fragen an Dr. Helmut Greif, Geschäftsführer der AGIT (Aachener Gesellschaft für Innovation und Technologietransfer mbH).
INTERVIEW: MARCUS ERBERICH
Um hoch qualifizierte Absolventen aus technischen Studiengängen besteht ein regelrechtes Rennen unter den Unternehmen – das zeigen Wettbewerbe wie der »Great Place to Work«-Preis. Weshalb ist es wichtig, diese Absolventen in der Region zu halten bzw. sie in die Region zu holen?
Hoch qualifizierte Arbeitskräfte, insbesondere in technischen Disziplinen wie Ingenieure, Physiker, Informatiker und Mathematiker, sind für die Innovationsfähigkeit eines Unternehmens von besonderer Bedeutung. Speziell das rasante Wachstum der I+K-Branche in den letzten Jahren basiert auf den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen dieser Unternehmen. Hier ist ein deutlich überproportionales Wachstum gegenüber anderen Wirtschaftszweigen weltweit festzustellen. Die Stellen und Positionen in diesen Abteilungen werden mit diesen Arbeitskräften besetzt. Fazit: Will unsere Region im weltweiten Wettbewerb auf den Wachstumsmärkten bestehen und auch selbst in diesen Märkten wachsen, dann muss sie diese oben benannten Arbeitskräfte binden bzw. in die Region holen.
Die Untersuchungen des »Great Place to Work« Instituts beruhen vor allem auf weichen Standortfaktoren. Aus Ihrer Sicht: Wie wichtig sind diese Faktoren wirklich?
Sie müssen hier unterscheiden zwischen den weichen Faktoren einer Region und den weichen Faktoren eines Unternehmens. Die Perspektiven des Unternehmens selbst im weltweiten Wettbewerb und die Perspektiven im Unternehmen spielen meiner Einschätzung nach immer noch die entscheidende Rolle für die Wahl eines ersten oder neuen Arbeitgebers. Wenn ein Unternehmen groß ist oder wachstumsstark und zudem weltweit agiert, wie viele Firmen in der Region Stuttgart zum Beispiel, dann sind die Perspektiven für Absolventen technischer Fächer in diesen Unternehmen entsprechend aussichtsreich. Danach kommen erst die weichen Faktoren einer Region. Zu bedenken ist aber auch hier, dass die Entscheidung über einen Arbeitgeber oft auch Mehrpersonenentscheidungen sind und nicht nur vom Absolventen bzw. Arbeitnehmer getroffen werden, sondern auch in die Beziehungsplanung oder Familienplanung passen müssen.
Welche Rolle spielt die AGIT, wenn es darum geht, Absolventen für den Standort Aachen zu begeistern? Wie sieht die Unterstützung für Unternehmen und Gründer diesbezüglich aus?
Die AGIT hat ihren Schwerpunkt im Technologie- und Wissenstransfer, in der Beratung von technologieorientierten Gründungsunternehmen und der Ansiedlung von Unternehmen, die von außerhalb der Region Aachen kommen. Wir treffen somit genau die oben angeführte Zielgruppe von Absolventen, die für die Entwicklung dieser regionalen Unternehmer und für unsere Region wichtig sind. Für technologieorientierte Gründer ergibt sich die Standortwahl in der Aachener Region fast von selbst: Meistens werden deren Geschäftsideen im Umfeld der RWTH Aachen oder FH Aachen bzw. des Forschungszentrums Jülich entwickelt. Um in diesen wichtigen Netzwerken bleiben zu können, ist ein entsprechender forschungsnaher Standort wichtig, auch wegen der Arbeitskräfte, wenn diese Gründer wachsen werden. Bei der Ansiedlung ausländischer Unternehmen wie FORD, Ericsson oder DENSO in Heinsberg war die Verfügbarkeit der Region über hochqualifizierte Arbeitskräfte in technischen Studiengängen in ausreichender Menge bestimmt ausschlaggebend. Zunehmend rücken aber wegen der demografischen Entwicklung auch technische Fachkräfte mit dualer Ausbildung in den Fokus der Unternehmen. Die ausreichende Verfügung über qualifizierte Arbeitskräfte ist zunehmend die wichtigste Ressource für Unternehmen.
Welche sind die Trümpfe der Technologieregion Aachen gegenüber anderen Standorten?
Der langfristige Trend zur Wissensgesellschaft wird Standorte, die Wissen generieren, an Bedeutung zunehmen lassen. Hier ist Aachen mit seiner Exzellenzuniversität, aber genauso mit dem Forschungszentrum Jülich, dem größten dieser Art in Deutschland, bestens aufgestellt. Die FH Aachen, die in den oben angeführten technischen Disziplinen einer der besten in Deutschland ist, spielt für die technologische Reputation einer Region ebenfalls eine sehr wichtige Rolle: Erstens ist sie stärker in den regionalen Technologie-Transfer und Wissenstransfer eingebunden, als es die anderen regionalen Hochschul- und Forschungseinrichtungen naturgemäß sein können, da diese an weltweiten Themen arbeiten; zweitens ist die regionale Orientierung der Absolventen von Fachhochschulen in der Regel deutlich größer als der Absolventen von Universitäten. Mit dem RWTH-Campus bekommt diese Entwicklung eine neue Qualität, denn sie wird die Chancen für Aachener Absolventen nochmals verbessern, in hochinteressanten Unternehmen zu arbeiten, die sich auf dem Campus als Forschungspartner ansiedeln. \