Blog

Tiere (nicht) essen – Tag 2: Zu viel Müsli und geschmorter Hund nach Hochzeitsart

Tag2

Geschmorter Hund nach Hochzeitsart, aus dem Buch „Tiere essen“. Foto: Lutz Bernhardt

Tag 2 beginnt mit deutlichem Appetit auf Fleisch. Stattdessen stopfe ich mir eine Megaschüssel Müsli rein. Hat wieder was von Ersatzhandlung, weil irgendwas zwischen Hirn und Bauch mir Angst macht, ich bekäme zu wenig ab.

VON LUTZ BERNHARDT

Anscheinend brauche ich Wurst, um mich vollständig ernährt zu fühlen. Und – was mir vorher schon klar war – mir fehlt wirklich das Salzige. Nicht, dass ich mit hängenden Lefzen beim Frühstück säße, aber eingespielte Handgriffe zum Aufschnitt passieren ständig. Ich bin eigentlich satt, schiebe aber noch ne Scheibe Gouda hinterher.

Meine temporär angelegte Fleischlosigkeit wirft Fragen auf – bei meinen Kindern: »Magst Du kein Fleisch mehr?« »Nie mehr?« Sie futtern genauso gerne Salami wie ich, oder Hühnchen oder Putenstreifen oder Steak oder Bratwurst. Ich nenne es ein Experiment und bausche die Sache nicht so auf, rede nicht von Tierglück und Umweltschutz. Damit ist das Thema dann auch erstmal schnell erledigt. Muss es auch, denn auf die Schulbrote gibt’s Teewurst.

Der Morgen vergeht schnell, ohne große Ablenkung. Zum späten Mittagessen hole ich mir erst gegen 16 Uhr ein Käsebaguette. In der Auslage beim Bäcker liegt nur ein Schinken-Käse-Exemplar. »Würden Sie mir bitte eins ohne Schinken machen?« Ich fasse es nicht, ich verspüre federleichten Stolz bei dieser Frage, eher ein Stölzchen. Hört die Verkäuferin den Unterton? Abends eine Portion Fritten mit Mayo, funktioniert. Ich vermisse nichts.

Zuhause lege ich los mit »Tiere essen«. Ich habe ein Exemplar von der Büchergilde Gutenberg; ich mag schöne Bücher. Mit Anhang sind das rund 400 Seiten, nun denn. Jonathan Safran Foer hat extra für die deutsche Ausgabe ein kleines Vorwort geschrieben. Der Vegetarierbund hat einen Zahlen- und Faktenteil erstellt, der alle US-amerikanischen Daten für Deutschland und Europa ergänzt.

IMG_4691

Lutz Bernhardt unterzieht sich einem Selbstversuch: Kein Fleisch essen – Ende offen. Foto: Marcus Erberich

Safran Foer schreibt sympathisch. Als Literat weiß er, dass Statistiken nicht wirken, sondern dass es Helden braucht, die sich auf Reisen begeben, Abenteuer bestehen und Drachen töten (blöder Vergleich im Veggie-Kontext, ich weiß). Er erzählt von »Hühnchen und Möhren« seiner Großmutter, ein Gericht, das als Erinnerungsort seiner Kindheit für Werte wie Familie, Geborgenheit, Gemeinschaft steht. Das Thema Essen bindet er sofort in einen sozialen Zusammenhang ein – was bei mir gut funktioniert, weil ich aus einer Großfamilie komme, in der die Tafelei einen wichtigen Status hatte und hat. Für Safran Foer begann das ernsthafte Nachdenken über das Essen von Tieren, als er und seine Frau das erste Kind erwarteten: »Ich wollte einfach wissen – für mich und meine Familie –, was Fleisch ist.« Wo kommt es her, wie werden die Tiere behandelt, welche ökonomischen, gesellschaftlichen und umweltrelevanten Auswirkungen hat das Essen von Tieren?

Um den Leser erstmal wach zu machen, stellt er nach wenigen Seiten ein kleines Denkspiel an: »Ein kleines Plädoyer für das Essen von Hunden«. Nun ja, bei mir funktioniert auch das, ich bin mit Hunden groß geworden. »Geschmorter Hunde nach Hochzeitsart«, ein Rezept von den Phillippinen. » … brennen Sie ihm über einem heißen Feuer das Fell weg. Entfernen Sie die Haut und legen Sie sie für später beiseite.« … Ananas, Zwiebeln, Tomatensoße, grüner Pfeffer, Lorbeer. »Mischen Sie pürierte Hundeleber unter und lassen alles noch weiter 5 bis 7 Minuten kochen.«

LINK: TIERE (NICHT) ESSEN – TAG 1: GAG-REFLEX UND BEKLEMMUNG

LINK: TIERE (NICHT) ESSEN – TAG 3: DIE SACHE MIT DER MORAL UND PARTY MIT VEGGIE-BURGERN

LINK: TIERE (NICHT) ESSEN – TAG 5: SMALL-TALK-GEWISSEN UND DAS SCHREIEN DER SCHWEINE

LINK: TIERE (NICHT) ESSEN – TAG 9: TOFU-BALLETT UND DIE SCHEISS-ZEIT DER TRUTHÄHNE

LINK: TIERE (NICHT) ESSEN – TAG 10: GROSSES INTERVIEW ZUR PREMIERE VON »TIERE ESSEN« AM THEATER AACHEN