Wie bei allen technischen Neuerungen begibt sich der Mensch auch beim »Intelligenten Wohnen« bis zu einem gewissen Grad in die Hände von Maschinen. Eine Gratwanderung zwischen Bequemlichkeit und Entmündigung.
VON SEBASTIAN DREHER
Seit Jahrhunderten ist es der Traum von Forschern und Erfindern, dass Dinge den menschlichen Alltag erleichtern. Unter den technologischen Neuerungen gab es sinnvolle und weniger sinnvolle. Die Erfindung des Rades oder der Glühbirne war sicherlich der Zivilisation dienlich, die des elektrischen »Eierschalensollbruchstellenverursachers« weniger.
Ein modernes Forschungsfeld beschäftigt sich mit »Intelligentem Wohnen«. Hierbei sollen durch die intelligente Vernetzung von Heizungs-, Verschattungs- und Alarmanlage sowie der Elektrik vielfältige neue Möglichkeiten geschaffen werden, die mit herkömmlicher Installationstechnik bislang nicht realisierbar sind. »Das System erkennt jeden Zustand im Haus und kann beliebig darauf reagieren«, erklärt Roman Wienert von der Aachener ambiHome GmbH das Konzept. »Dadurch sind die Möglichkeiten quasi unbegrenzt.«
Der Ingenieur unterteilt sein Fachgebiet in drei Kategorien: Komfort, Sicherheit und Energie. Vor allem der dritte Punkt könnte das »Intelligente Wohnen« für Häuslebauer interessant machen. Denn auch wenn man darüber streiten kann, ob es Kühlschränke geben muss, die Butter nachbestellen, oder Briefkästen, die einem eine SMS schicken, wenn der Postbote da war – mit einer Heizung, die sich selbstständig herunterregelt, wenn das Fenster aufsteht, oder mit Lampen, die von alleine ausgehen, wenn sich niemand im Raum aufhält, kann ohne Frage viel Geld und Energie gespart werden.
»Ein Schalter am Bett könnte so programmiert werden, dass er das gesamte Licht im Haus ausmacht«, so Wienert weiter. Kein abendliches Treppensteigen mehr, weil auf dem Dachboden noch eine Lampe brennt. Darüber hinaus ließe sich die Heizung mit dem elektronischen Kalender gleichschalten, so dass auch bei Kurztrips die »Niemand-zuhause«-Heizeinstellung gefahren wird.
Per Fernabfrage über Tablet, PC oder Smartphone ließen sich auch von außerhalb Einstellungen regeln und Informationen abfragen, etwa ob der Herd ausgeschaltet oder das Fenster geschlossen ist. »Ein wichtiger Punkt betrifft die Datensicherheit«, sagt Roger Häußling, Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie mit dem Schwerpunkt Technik- und Organisationssoziologie an der RWTH Aachen. »Wie werden Daten gespeichert? Welche Daten-Architektur wird benutzt?« Langfinger mit Datenzugriff könnten von einem niedrigen Energieverbrauch Rückschlüsse schließen, ob die Bewohner im Urlaub sind – und dann einbrechen.
»Intelligentes Wohnen« ist – zumindest bis zum heutigen Zeitpunkt – ein Thema für »technikaffine Besserverdienende«, wie es Häußling beschreibt. Einen Neubau entsprechend auszustatten kostet einfach mehr, als es auf konventionelle Weise zu tun. Zudem bestehe immer die Gefahr, dass der Mensch entmündigt wird, dass ihm die Technologie mit ihren unermesslichen Möglichkeiten über den Kopf wächst. Der Herr der Technik wäre dann zum Sklaven der Maschinen geworden. \
Erstmals erschienen in Klenkes NEO 9: MENSCH-MASCHINE