Max Keller studiert Psychologie und wurde 2009 Deutscher U19-Meister im Boxen. Für den Stolberger ist sein Sport auf allen Ebenen befriedigend, besonders geistig. Jemanden k.o. zu schlagen findet er okay, solange es im Spiel passiert.
INTERVIEW: CHRISTIAN DANG-ANH
Max, der Boxsport kämpft immer noch mit dem Klischee, Brutalos und Rowdys anzulocken. Wie bist Du zum Boxen gekommen?
Ich habe früh mit Judo angefangen, was mir irgendwann keinen Spaß mehr gemacht hat. Dann habe ich es mit Fußball probiert, wozu ich aber definitiv nicht geeignet bin (lacht). Aber ich brauche Sport, ich bewege mich sehr gerne. Als ich dann zufällig einen Boxkampf von Felix Sturm sah, war mir klar, dass das etwas Anspruchsvolles ist.
Also Kampfsport. Und Fußball war nur ein Ausrutscher?
Ich mag das direkte Kräftemessen – physisch und taktisch. Beim Fußball spielt das zwar auch eine Rolle, sagt aber wenig über den Einzelnen aus. Beim Boxen habe ich da ein direktes Feedback: Ich war heute besser oder schlechter als der Gegner. Allerdings auf sportlicher Ebene, hinterher gibt man sich die Hand und wünscht sich alles Gute. Man geht fair miteinander um.
Geht es einem jungen Boxer denn nicht um Behauptung?
Ich habe das Boxen nur als sportliches Kräftemessen kennengelernt. Es gibt feste Regeln. Das macht auch Sinn, denn wenn ein Boxer nur einsteckt, geht es schnell an die Gesundheit. Es ist ja nicht so, dass es gesund wäre, Schläge zu bekommen.
Kräftemessen hat also hauptsächlich mit Disziplin zu tun?
Alle Kampfsportarten sind disziplinfördernd. Kampfsport wird nicht umsonst oft zur Gewaltprävention eingesetzt. Weil man eben dadurch Disziplin lernt. Hält man sich nicht daran, kriegt man eine Packung vom Gegner.
Du bist knapp zwei Meter groß und auch sonst eine imposante Erscheinung – und du hast mal gesagt, der Sport habe Dir Selbstbewusstsein gegeben.
Wenn man in einer Sache gut ist, gibt einem das immer Selbstbewusstsein. Natürlich brauche ich das nicht wie jemand, der vielleicht grundsätzlich ängstlich ist. Aber wenn man zufrieden leben möchte, holt man sich an vielen Stellen Selbstbewusstsein. Würde ich mir das ausschließlich im Boxen holen, ginge das nicht lange gut. Wichtig ist doch, auch im Beruf zufrieden und zwischenmenschlich kompetent zu sein. Und wenn es in einem Bereich mal nicht gut läuft, hat man die anderen, mit denen man das zumindest teilweise kompensieren kann.
Wie viel Psychologie steckt im Boxen?
Psychologie befasst sich ja im Allgemeinen mit menschlichem Erleben und Verhalten, ist also auf jeden Lebensbereich übertragbar. Psychospielchen gibt es bei uns eher weniger, aber die Kenntnisse helfen natürlich bei der eigenen Motivation, Konzentration und dem Auftreten. Natürlich lernt man in der Psychologie auch wie man lernt, das ist im Training sehr hilfreich, um Bewegungsabläufe einzuüben. Psychologie ist gut aufs Boxen übertragbar.
Musst Du den Schalter umlegen, wenn Du in den Ring steigst?
(lacht) Das ist schwer. Fängt man mit dem Boxen an, ist viel Aggressivität im Spiel, denn wenn man in einen Kampf geht, muss man einen Menschen schlagen, das ist ja auch außerhalb des Sports zunächst mal nichts Gutes. Da muss man schon den Schalter umlegen. Aber je weiter man im Boxen kommt, desto weniger hat das mit Aggression zu tun, die ist irgendwann fehl am Platz. Man beschimpft sich nicht, man kämpft nicht mit unfairen Mitteln. Ich schaue mir den Gegner an und überlege daraufhin, wie ich fair zu boxen habe.
Je weniger bauchgesteuert, desto besser bist Du im Ring?
So empfinde ich das zumindest. Je mehr ich meinen Gegner im Vorfeld analysiere, desto besser boxe ich. Natürlich sind Kraft und Ausdauer die Basis. Aber darauf aufbauend sind Taktik, Technik und Strategie entscheidend.
Also geht es beim Boxen auch um die geistigen Fähigkeiten?
Ja. Ich weiß, was ich wann zu tun habe. Man muss körperlich in der Lage sein, die geistigen Entscheidungen umzusetzen. Vielleicht kann man das mit einem Autorennen vergleichen: Man braucht ein gutes Fahrzeug und einen guten Fahrer, der immer die Nerven behält.
Was gibt dir das Boxen?
Ein Sieg ist ein unbeschreibliches Gefühl! Zu sehen, dass all deine Bemühungen der Vorbereitung zum Tragen kommen, dass du gut und geschickt gekämpft hast, das ist schon irre…
Und da kommt nie der Gedanke auf: Dem habe ich jetzt aber mal die Fresse poliert?
Doch. Das passiert. Aber wenn ich in einen Kampf gehe, weiß ich, dass ich eins auf die Nase bekommen kann. Nach dem Kampf gibt man sich die Hand und sagt sich ein paar nette Worte. Ich habe kürzlich jemandem eine Platzwunde verpasst und ihm anschließend gute Besserung gewünscht. Das gehört dazu, auch wenn es nicht das Ziel ist, seinen Gegner zu verletzten. Immerhin ist das ein Kampfsport. \
(Erstmals erschienen in Klenkes NEO 6: SPIELEN)