LOSLASSEN UND LACHEN
Stefan war gutaussehend und cool. Trug die Hosen etwas zu tief und die Haare etwas zu lang. Zudem spielte er Fußball und war im Bett einfach eine Granate.
TEXT: KIRA WIRTZ
Er war so der Typ, auf den man einfach stehen muss. Zumindest, wenn man gerade versucht zur heimlichen Oberschicht auf dem Schulhof zu gehören. Ansonst war Stefan nämlich leider ein Arschloch. Es fiel mir aber nicht weiter auf, schließlich war ich verknallt und Stefan einfach unwiderstehlich.So brauchte ich auch etwas länger um zu begreifen, dass man diese Beziehung besser beenden sollte.
Fast ein Jahr war es nämlich immer das gleiche Spiel: Plötzlich verbrachte ich ganze Abende wartend. Erst war ich wütend, dann kam der Zeitpunkt des Sich-Sorgens und dann kam Stefan. Super. Streit vergessen. Vor Liebe verblendet. Er würde sich schon ändern. Wenn wir zusammen sind, ist schließlich alles schön und sobald Stefan da war, war er in meinen Augen einfach ein Traumtyp. Also wartete ich auf ihn, seine Besuche, Anrufe und Liebe. Bis zu dem Abend, der mich endgültig schlauer machen sollte.
Ein Freitag. 20 Uhr. Wir wollten uns nach dem Fußball treffen. Ich hatte mich für ihn schön gemacht, Wimperntusche und so, und war in die vertraue Wartehaltung übergegangen. 21 Uhr. Kein Telefon, kein Stefan. Ich: sinksauer. 22 Uhr. Kein Telefon, kein Stefan. In mir keimte langsam Panik auf. 23 Uhr. Kein Telefon, kein Stefan. Ich war mittlerweile in Tränen aufgelöst. Vor Wut. Genug war genug.
Dann klingelte das Telefon und er war dran. Angetrunken und lallend. Es täte ihm so leid und es sei nicht seine Schuld. Er wäre jetzt auf dem Weg vom Vereinsheim nach Hause. Die anderen Jungs hätten ihn förmlich gezwungen nach dem ganz großen Mannschaftssiegs in der untersten Kreisliga mehrer Stiefel Bier auf ex zu trinken. Aber ich sei es, die er noch sehen müsse und ob ich nicht noch vorbeikommen wolle. Und tatsächlich: Ich dachte ernsthaft darüber nach. Hinfahren, ihm verzeihen, mich ergeben. Alles für unser Team.
Da kam mir kurzweilig der einzig wahre Gedanke: Der Typ war kein Traummann und unsere Beziehung keinen Pfennig mehr wert. Das wollte ich ihm auch ehrlich sagen. Doch plötzlich, ein Knall, es raschelt und rauscht. Ich höre ein »Ahhh«, dann keinen Laut mehr. Und da war sie, die Sorge, die alle Bedenken zur Seite fegte. Der schöne Stefan war in Nöten und ich seine einzige Rettung.
Also fuhr ich ihm entgegen und fand ihn. Schlafend in einem Bushäuschen. Das Handy, ohne Akku, in der Hand. Der Typ war nicht in Nöten, sondern im Vollrausch. Und er war auch nicht überfallen und ausgeraubt worden, sondern war über seine eigenen Füße gefallen. Aber gut. Wo ich nun schon mal hier war, würde ich unser Team retten, Stefan nach Hause bringen und er würde sich ein für alle Mal ändern. Schließlich liebte er mich.
Ich hievte Stefan unter größten Anstrengungen ins Auto, öffnete ihm sogar das Fenster und lächelte ihm, in dem Glauben alles ändern zu können, selig zu. Zurück kam ein Grunzen. Die ganze Sache wurde immer absurder. Dann kamen wir bei ihm vor der Türe an und er erwachte. »Wie viel bekommen se?«, fragt der wankende Stefan, nachdem er aus dem Auto ausgestiegen war. Ich konnte es nicht fassen. Fast hätte ich gelacht. Ich wollte seinen Schlüssel aus der Tasche holen, um ihm die Türe zum Haus aufzuschließen. Ich dachte noch, dass das alles nicht real sein konnte, als ich mit der einen Hand in Stefans Gesäßtasche nach dem Schlüssel fingerte und mit dem anderen Arm versuchte meinen wankenden Freund zu halten, als er fragte: »Entschuldigung, kennen wir uns vielleicht?« Und da kam sie, die Erkenntnis. So nicht. Und vor allem nicht mit mir. Da ließ ich ihn und seine Schlüssel los. Stefan verlor sein Gleichgewicht und fiel in den Vorgarten. Da war es: unser Team. Eine Hälfte lag – gar nicht traummann-mäßig – schnarchend in den Veilchen der Eltern, die andere Hälfte hatte wegen der ersten verquollene Augen. Da musste ich schallend lachen. Über Stefan, über mich. Wie lange man doch manche Sache mitmacht. Und wie plötzlich man weiß, dass es vorbei ist.
Am nächsten Tag machte ich Schluss. Ein Anruf: »Das war’s. Ich habe auch gar keinen Bock, mich da noch groß drüber zu unterhalten.« Es war gar nicht schwer. Stefan konnte nicht lachen und hat bis heute nicht verstanden warum.\