Magazin

Fansein

ICH SPASSBREMSE!

Layout 1

Illustration: Malte Pferdmenges

Juchu! EM. Vier Wochen lang Sonne, Biergärten, Großbildleinwände, schöne Spieler, vielleicht ein paar nackte Bäuche, hupende Autos, häufiges Grillen.

TEXT: KIRA WIRTZ

Fußball interessiert mich eher sekundär. Ich bin nämlich die Art Teilzeitfan, die jeden richtigen Fan schön und schnell auf die Palme bringt. Zumindest, wenn ich den Aussagen in meinem Freundeskreis trauen darf. »Boah Kira, wenn du keinen Fußball schauen willst, dann komm bitte erst nach dem Spiel!« heißt es da während einer Bundesligapartie. »Fansein heißt mit seiner Mannschaft mitfühlen und nicht dazwischen quatschen!« Meine männlichen Freunde bekommen beim Gedanken an eine minimale Zwischenfrage wie etwa: »wer sind jetzt die in den roten Trikots?«, oder: »auf welches Tor müssen die jetzt schießen?« bereits Schnappatmung und rote Streß-Flecken. Dabei können sich die feinen Herren in Sachen unqualifizierte Aussagen durchaus an die eigene Nase packen. Bestes Beispiel: »Nein, wir können nicht umschalten! Da läuft doch Sportschau!« Aber ehrlich: Sportschau ist nicht mal live!

Und dennoch versuche ich, mir während der EM Mühe in Sachen Fansein zu geben. Ich kaufe Schminkstifte in Schwarz, Rot, Gold und bemale damit alles und jeden. Ich eigne mir die passenden EM-Hits an und helfe gerne beim Bekleben der Panini-Bildchen-Sammelhefte. Ich bin ganz besonders auf Zack, wenn’s darum geht herauszufinden, in welchem Team die heißesten Spieler kicken. Da kann ich ziemlich schnell Name, Alter, Beziehungsstatus und die Liste der verflossenen Ex-Freundinnen.

Natürlich bin ich aber beim Spiel selber Fan der deutschen Nationalelf. Bei Toren jubele ich, bei Gegentoren buhe ich. Bei Fouls an meinem Team schimpfe ich, die Fouls an den Gegnern ignoriere ich. Und obwohl ich mir so große Mühe gebe, kann ich doch nicht so recht bei den eingefleischten Fans punkten.

Meine Freunde drücken das so aus: Obwohl ich keine Ahnung von Fußball habe, bringe ich schön auswendig gelernte Redewendungen in falschen Momenten lautstark zum Einsatz und pöbele die richtigen Fans an.

Und das finde ich, ehrlich gesagt, ziemlich dreist! Ich pöble nämlich eigentlich selten. Ich habe mich lediglich beim angetrunkenen Sonstwie-Fanclub beim letzten Public Viewing beschwert, dass ich bereits nach 10 Spielminuten den Inhalt einer Dose Bier auf den Kopf bekommen hatte, nur weil Schweini, Poldi und Co. dem richtigen Tor mit dem Ball nahe gekommen sind.

»Kira, wenn du was gegen so viele Leute hast, die alle gerne zusammen Fußball gucken, dann kannst du eben nicht zum Public Viewing gehen«, meinte mein Freund daraufhin. Als würde ich versuchen, die Stimmung zu vermiesen!

Dabei sieht es doch in Wirklichkeit so aus: Während die Stimmung bei mir ansteigt, wenn das Spiel endlich vorbei ist und die Gespräche beginnen könnten, sind meine Freunde dann oft so missmutig wie schlecht erzogene Fünfjährige. Der eine ist sich sicher, er selber wäre der bessere Torwart, der andere hadert immer noch mit der Startaufstellung. Der Dritte will nach Hause, um sich in den Schlaf zu weinen, weil er sich für den Sieg seiner Mannschaft schämt (»Die haben zwar gewonnen, aber völlig zu Unrecht. Völlig zu Unrecht!!!«) Der Vierte will gleich todesmutig in die nächste Pizzeria stürmen und den Italienern persönlich den Kampf ansagen.

Ich kann das ganze Chaos kaum verstehen und dann heißt es wieder: »Du bist eben kein echter Fan. Man fühlt eben mit seiner Mannschaft!« Und ich bin eben doch ein guter Fan: Denn trotz all dieser Strapazen freue ich mich auf die kommende EM. Ich kaufe mir neue Schminke, meinem Freund ein Panini-Buch, damit ich einen schnellen Überblick über die Spieler bekomme, und suche meine tollen Fußball-Floskeln raus.

Ich hab’ übrigens schon als Teenager echte Fanqualitäten gezeigt: Mit 12 war ich nämlich schon mal Teilzeitfan. Ich besaß einen Schal und eine Mütze vom Lieblingsverein meines damaligen Schwarms. Für ihn bin ich mit einem »Tiger Effenberg«-Schal rumgelaufen und habe frierend im Stadion zwischen schwitzigen Fanclubs gestanden. Über Wochen! Wenn das nicht Mitfühlen ist, weiß ich’s auch nicht! \