Laufbahn

International promovieren in Rechtspsychologie

Foto: Carlo Schrodt / pixelio.de

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Das spannende wie umfangreiche Feld der Rechtspsychologie kann bald an drei zusammenarbeitenden europäischen Universitäten erforscht werden – auch in Maastricht. Beginn im September 2013.

TEXT: PIA BOSSELER

Das Graduiertenprogramm in Rechtspsychologie (»Legal Psychology«) ist in Europa einzigartig. Es kann an den drei Universitäten in Maastricht, Göteborg und Portsmouth, die in einem Konsortium zusammenarbeiten, bald belegt werden. Im September 2013 wird der erste Jahrgang seine Arbeit aufnehmen, zweieinhalb Jahre werden bei der ausgewählten »Heimatuniversität« absolviert, danach besuchen die jungen Forscher ein halbes Jahr lang eine der beiden Partneruniversitäten. Ebenso außergewöhnlich ist der die Forschung ergänzende Unterricht. Die Lehre konzentriert sich abschnittsweise immer an einem der drei Orte. Promotionsstudenten, die einen anderen Standort ausgewählt haben, werden grundsätzlich via E-Learning teilnehmen, aber auch immer wieder Studienreisen zu den andren Unis unternehmen. So sollen Gruppenarbeiten gefördert werden und die Vorzüge der internationalen Zusammenarbeit, die gerade dieses Programm auszeichnet, kommen bei den angehenden Doktoren an.

Wie Recht und Psychologie zusammenfinden
Das Fachgebiet der Rechtspsychologie beschäftigt sich mit all den psychologischen Themen, die im Umgang mit Zeugen und Beweisen von Bedeutung sind: Die Aufdeckung von Lügen, das Wiedererkennen von Personen, die Zeugenvernehmung in jeglicher Hinsicht und die Gewichtsbeimessung einzelner Beweise sind nur einige der Kerngebiete, die es zu erforschen gilt. In Deutschland wird diese spezielle Ausrichtung der Psychologie zumindest in der universitären Forschung weitestgehend vernachlässigt. Die bleibende Möglichkeit für Psychologen, sich in diese Richtung hin zu spezialisieren, besteht – ähnlich wie in der Psychotherapie – in einer sich an das Studium anschließenden praktischen Ausbildung. Um sich jedoch wissenschaftlich mit diesem Gebiet auseinanderzusetzen, bleibe kaum eine andere Chance, als sich ins Ausland hin zu orientieren, so Dr. Melanie Sauerland: »Den einzigen mir bekannten deutschen Lehrstuhl in Berlin gibt es heute nicht mehr. Man kann zwar während des Studiums an einigen Universitäten Kurse in der Rechtspsychologie belegen, aber einen speziellen Lehrstuhl mit einem vergleichbaren Graduiertenprogramm gibt es nicht.« Genau deshalb ist die Diplom-Psychologin vor drei Jahren aus Gießen an die Universität Maastricht gegangen. Dort betreut sie heute unter dem Hauptverantwortlichen Koordinator Prof. Peter van Koppen das Programm mit. Für sie ist es unverständlich, warum der im Rechtsstaat so essentiellen Problematik in der deutschen Lehre und Forschung bisher so wenig Beachtung geschenkt wird. »Ich halte die Schaffung eines Gegengewichts zur amerikanischen Lehre in Europa für sehr wichtig. Immerhin geht es hier um ganz unterschiedliche Rechtssysteme, die auch in rechtspsychologischen Fragen individuell behandelt werden müssen.«, so Sauerland. Bislang verlassen immer mehr kundige Fachkräfte den Kontinent – zum Beispiel in Richtung Amerika – da sie hier keine ihren Interessen entsprechende Perspektive sehen. Das von der EU geförderte Projekt der drei renommierten europäischen Unis hält Melanie Sauerland daher für wichtig, um wissenschaftlich auf dem Gebiet der Rechtspsychologie den Anschluss herzustellen.

Voraussetzungen und Perspektiven
Zugang zu dem Programm haben Psychologen mit einem Master-Abschluss oder einer vergleichbaren Qualifikation. Ein gewisses Hintergrundwissen in Jura ist wünschenswert, jedoch nicht zwingend erforderlich. Das Erfordernis eines gewissen Interesses auch für dieses Fach besteht jedoch notwendigerweise. Studiert und promoviert wird an allen drei Universitäten auf Englisch, sodass umfassende Sprachkenntnisse und ein entsprechendes Zertifikat vorzuweisen sind. Die Bewerbung muss bis spätestens 31. Januar 2013 erfolgen.

Neben Beschäftigungen der Absolventen in Forschung und Lehre sind auch Tätigkeiten für Gerichte, Ministerien und andere vernehmende Organe wie die Polizei oder EUROPOL denkbar, die immer wieder Expertenrat hinzuziehen müssen. So weit, wie hier das Forschungsgebiet ausgedehnt ist, so vielfältig sind auch die beruflichen Möglichkeiten: Hilfe beim Schutz vor Terrorverdächtigen, bei der Gewichtung von Beweisen, bei der unterschiedlichen Behandlung von Kinder-, Augen- und Ohrenzeugen oder der Aufdeckung von Lügen mittels Technik und psychologischem Handwerk bieten aufregende und zukunftsorientierte Perspektiven. \

(Erstmals erschienen in Klenkes NEO8 »Extrem«)