
Keetwohnen in Amsterdam – ein Beispiel das zeigt, dass Container nicht ungemütlich sein müssen. (Foto: Ronald Schouten)
Immer mehr Studenten brauchen immer mehr Platz, Stichwort »Doppelter Abi-Jahrgang«. Doch wenn der große Ansturm erst mal vorbei ist, wird auch weniger Wohnraum benötigt. Mögliche Lösung: temporäre Containerwohnungen.
VON SEBASTIAN DREHER
Zugegeben, bei dem Wort »Container« denkt man weniger an ein Zuhause als an Mülltrennung, Überseehäfen oder verwahrloste Trailerparks – im besten Fall fühlt man sich an den Wohnwagen-Zausel Peter Lustig erinnert. Doch diese temporäre Bauweise, bei der teils auf eigens hergestellte Module, teils auf reale Überseecontainer zurückgegriffen wird, birgt viele Vorteile und Möglichkeiten. Die Mini-Buden sind schnell aufgebaut, billig und sie nehmen nicht viel Platz weg, weil sie stapelbar sind.
Interessante Beispiele für universitären Containerbau gibt es bereits seit einigen Jahren, etwa die Studentenstadt Freimann in München. Hier stehen sieben Wohnwürfel in direkter Nähe zum Englischen Garten auf der grünen Wiese. Die »micro-compact homes« bieten auf 7 Quadratmetern vier so genannte Funktionszonen – neben Schlafen, Arbeiten-Essen und Kochen auch einen Eingangs-Hygienebereich.
Etwas größer und pittoresker sind die Buden in der Container City in London, die bunt bemalt und mit Rundfenstern zu teils chaotisch anmutenden Haufen zusammengestellt sind. Oder im Amsterdamer »Keetwonen«. Rund tausend Überseecontainer sind hier wie Legosteine zu Europas größtem Containerdorf zusammengestapelt, jede Wohnung hat Gaszentralheizung, einen 50-Liter-Warmwassertank und Zugriff auf eine High-Speed-Internetverbindung. Laut Betreiberfirma Tempohousing sind die Wartelisten für diese Spielzeugstadt lang, selbst Anfragen, ob man den Container nach Ende des Studiums kaufen und mitnehmen kann, seien keine Seltenheit.
Der Containerbau ist vielleicht auch im Kampf gegen die Wohnungsnot der Aachener Studierenden von Nutzen. »Wir gehen davon aus, dass Aachen in den kommenden Jahren vier- bis fünftausend zusätzlich Betten braucht«, sagt Rolf Frankenberger, Abteilungsleiter Strategisches Immobilienmanagement der Stadt Aachen. »Ein Teil dieses Bedarfs davon soll durch konventionellen Wohnungsbau gedeckt werden. Ein anderer Teil könnte temporär entstehen.«
Auf dem Campus Melaten wurde jetzt eine Fläche für ein mögliches Container-Projekt ins Auge gefasst. »Die Fläche ist erschlossen, Gas, Wasser, Strom – alles da«, sagt Frankenberger. Es könnten also kurzfristig Unterbringungen im Stapel-Stil entstehen. Sogar sehr kurzfristig. »Laut einem Angebot, das uns vorliegt, können innerhalb von vier Wochen bis zu 100 Container aufgestellt werden«, so Frankenberger. Preislich schwanken die Containerlösungen zwischen 9.000 und 50.000 Euro pro Wohnung.
Insgesamt tauge die 4.000 Quadratmeter große Fläche für maximal 300 Container, die sukzessiv aufgestellt werden können. »Man könnte mit 50 Containern anfangen, je nach Studentenentwicklung«, so Frankenberger. »Bei größerem Bedarf lässt sich zeitnah hinzubauen.« Dabei sollen nach heutigem Stand nicht mehr als zwei Etagen übereinander gestapelt werden, so dass man auf maximal 250 Einzelwohnungen kommt.
Doch wie wohnt man eigentlich in Containern? »Ein Problem ist die Wärmeisolierung«, sagt Thomas Dreyer, Geschäftsführer der Berliner Firma Ferrotec, die sich vor allem auf Messebau konzentriert. »Flüssigkeit, die beim Duschen, Kochen oder beim bloßen Ausatmen entsteht, kann nicht durch die Stahlwände diffundieren, sie sammelt sich im Wohnbereich.« Ein anderes Problem hält Dreyer dagegen für nicht problematisch: Lärm. »Die Container liegen nur an den Ecken auf, sodass man nur dort etwas gegen den Körperschall unternehmen muss.« Insgesamt höre man den Nachbarn so wie in jedem anderen Mietshaus.
Momentan sind die Aachener Containerdörfer allerdings noch Zukunftsmusik. »Es gibt weder eine Baufirma noch einen finanzkräftigen Investor«, so Frankenberger. Der werde aber gebraucht, denn »die Stadt wird dafür nicht bezahlen, das ist keine ihrer originären Aufgaben«. Für einen möglichen Investor müsse sich die Investition allerdings lohnen. Bei einer maximalen Monatswarmmiete von 300 Euro pro Wohnung – auf diesen Ungefähr-Wert haben sich Stadt und Studentenwerk Aachen festgelegt – nicht ohne Risiko.
Natürlich müsse den Studenten das Bewohnen von Metallkisten auch schmackhaft gemacht werden, wie auch die Stadt weiß. Das gelänge einerseits über niedrige Miete sowie soziale Angebote wie Veranstaltungsraum und »Kellerbar mit Kicker«, aber auch über den Faktor der Ungewöhnlichkeit. Frankenberger: »Das Leben im Container muss cool sein.« \
(Erstmals erschienen in Klenkes NEO 8: »EXTREM«)