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Alle knusper im Kopp

Neo-Autorin Sabine Hausmann (l.) und Geburtstagskind Magdalena knuddeln einen sichtlich überforderten Donald.

Neo-Autorin Sabine Hausmann (l.) und Geburtstagskind Magdalena knuddeln einen sichtlich überforderten Donald. (Foto: Sabine Hausmann)

Den 18. Geburtstag groß feiern und so richtig auf die Kacke hauen – Vollrausch im Zeichen des Erwachsenseins. Kann jeder.  Aber den 18. Geburtstag im Disneyland Paris zu feiern – sozusagen im Zeichen des Niemalserwachsenwerdens? Das ist neu. NEO-Autorin Sabine Hausmann, ihres Zeichens Disneyland-Neuling, war eingeladen. Eine Geschichte von Kunstschnee und schwulen Märchenprinzen.

VON SABINE HAUSMANN

Jawohl, ich hatte eine Kindheit ohne Disneyland. Nie leibhaftig durch Cinderellas Schloss gewandelt. Nie Goofy auf die Plastiknase geküsst. Nach Jahren der Entbehrung folgte im November 2012 die Erlösung: ein Wochenende im Mekka der Traumfabrik. Und das in Begleitung einer eingefleischten Disneyland-Fachfrau, Magdalena, mit der Absicht, dort ihren Achtzehnten zu zelebrieren.

Gute Voraussetzungen für zwei Tage prall gefüllt mit Weihnachts-Klimmbimm und Trickfiguren zum Anfassen. Gleich in der Hotellobby möchte ich mich am liebsten jauchzend in den mit Lollipops verzierten Weihnachtsbaum schmeißen. Wonach es hier so lecker riecht, frage ich unseren Concierge. »Nach dem Hotelparfum«, gluckst der, »Daher sind hier auch alle knusper in den Köppen.« Glauben wir sofort, bei einer Öffnungszeit von 364 Tagen im Jahr.

Von 17.000 Mitarbeitern sind 70 Prozent männlich, erzählt er uns. Die Zusatzinfo, dass davon 90 Prozent vom anderen Ufer sind, scheint zwar beim Anblick des ersten Märchenprinzen mit Perlweißzähnen irgendwie fast schon selbsterklärend, führt aber bis auf Weiteres zur albernen Suche nach den restlichen zehn Prozent. Zum Reinrutschen in die Volljährigkeit steht erst mal ein Cocktail auf der Agenda. Feierlustige kommen nämlich auch nach Parkschluss auf ihre Kosten(!). Im Disney Village, außerhalb der Parks, wo die Geschäfte und Restaurants bis weit nach Mitternacht geöffnet sind, wird klar: Eines tickt hier selbst zu später Stunde: die große Uhr des Merchandisings.

Übergroße Donalds werden auch nach Zwölf noch geknuddelt, Spieluhren aufgedreht, Ohrenwärmer übergestülpt und posiert bis die Speicherkarte voll ist. Bei einer gefühlten Million Disney-Stores will ich den sehen, der nicht wenigstens einen Mickey Mouse-Kuli mit nach Hause nimmt. Aber da war doch noch was? Weswegen war man noch mal hier? Ach ja, der Park. Im Laufe des Wochenendes stoße ich zwischen Phantom Manor, Buffalo Bill und einer Audienz mit Belle wiederholt Danksagungen aus, in Begleitung eines Parkprofis zu sein. Von wo hat man den besten Blick auf die (wirklich!) traumhafte Schlosslichtershow? Wie funktionieren noch mal diese verdammten Fast Pässe? Naja, bin eben neu im Land. Und Geburtstag? Ist Programm. Mit einem Happy Birthday-Button auf der Brust wird meine Neuerwachsene sicher und überglücklich in die Arme herumlaufender Parkfiguren gelotst.

Aber irgendwie hat hier ohnehin jeder Geburtstag. Eine niemals endende Party aus Paraden, Shows, Kitschrausch und Musik. Vor Letzterer ist man selbst auf dem stillen Örtchen nicht sicher. Geburtstagskuchen samt singendem Personal und ein Festmahl, bei dem wir vor lauter Prinzessinnenknuddeln fast unsere Vorspeise vergessen, sind zur Feier des Tages obligatorisch. »Ist nicht echt. Ist Schaum«, erklärt mir mein versiertes Geburtstagskind, als ich mich naiv über Novemberschnee freue. Ob ich als Kind an die Authentizität von alldem geglaubt hätte? Wer weiß. Beeindruckt von der akkurat nachempfundenen Fantasie ist auch das erwachsene Auge. Mir doch Schnuppe, wenn es Schaum schneit, Arielle womöglich einen miesen Stundenlohn bekommt, oder Captain Hook Peter Pans Hinterteil mustern würde, wenn er dürfte.

Nicht selten steht man kurz davor, sich zu Kleinkindern auf den Hotelteppich zu gesellen und einen flauschigen I-Aah durchzukitzeln. Die einen schreien: »18 ohne Absturz? Geht nicht!« Wir sagen: »Wohl!« Absturzparty oder Disneyland – Am Folgetag kann man bei beidem nur so klug sein, sämtliche Termine abzusagen. Denn wie jeder exzessive Trip endet auch dieser mit einem Kater, einem Disney-Kater. Inklusive ersten Symptomen für knusper im Kopp. Kein Wunder, bei einem Wochenende mit so viel Traumschaum.  \

(Erstmals erschienen in Klenkes NEO 8: »EXTREM«)